Pakistan nach der Flut
Als uns Ende Juli 2010 die ersten Meldungen über die Fluten in Pakistan erreichten, war nicht abzusehen, dass wir mit einer Naturkatastrophe konfrontiert waren, die alle vergleichbaren Maßstäbe sprengt. Insgesamt waren 20 Millionen Menschen betroffen, verloren über Nacht ihr gesamtes Hab und Gut - eine kaum vorstellbare Zahl. Viele von ihnen ziehen bis heute auf der Suche nach Arbeit und einem Dach über dem Kopf durchs Land, sind dringend auf Nahrung, reines Wasser, medizinische Versorgung und Notunterkünfte angewiesen.
Zunächst reagierten die Medien, die Politik und die Öffentlichkeit in Deutschland eher zurückhaltend auf die Katastrophe. Doch als das wahre Ausmaß der Überflutungen - mehr als 20 Prozent des Landes standen zwischenzeitlich unter Wasser - bekannt wurde, kam es zu einer überwältigenden Spendenbereitschaft innerhalb der Bevölkerung. Vielleicht spielte bei manchen zu Beginn auch die durchaus berechtigte Sorge mit, das Geld könnte in einem der konfliktreichsten Länder der Erde in dunklen Kanälen versickern.
Daher haben wir vom ersten Tag der Nothilfe an besonderen Wert darauf gelegt, ausschließlich mit langjährigen, verlässlichen Partnern im Land zusammenzuarbeiten und genau darauf zu achten, dass die Hilfe wirklich bei den Bedürftigen ankommt. (...)
Dies ist besonders wichtig, da die Menschen in Pakistan noch über Jahre auf Unterstützung angewiesen sein werden. Die Nothilfe der ersten Tage und Wochen hat vielen Menschen das Leben gerettet. Gesundheitsteams der Caritas behandelten in mobilen Gesundheitsstationen Verletzte und Kranke. Nothelfer versorgten Hunderttausende mit Lebensmitteln, Zelten, Trinkwasser und dringend benötigten Dingen des täglichen Bedarfs. Nun geht es darum, die Katastrophe nach der Katastrophe zu verhindern, gemeinsam mit den Betroffenen eine Zukunftsperspektive zu schaffen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Dazu gehören Einkommen schaffende Maßnahmen, Unterstützung der weitgehend zerstörten Landwirtschaft und neue Bauten da, wo Häuser und Infrastruktur zerstört wurden. Die Caritas wirkt in Pakistan als katholische Organisation in einem überwiegend muslimischen Land, das zudem durch Aktionen islamischer Extremisten immer wieder negativ in die Schlagzeilen gerät. Von solchem Radikalismus spüren wir in unserer täglichen Arbeit allerdings nichts. Im Gegenteil: Wir erfahren von der Bevölkerung große Offenheit, Dankbarkeit und Kooperationsbereitschaft.
Es ist nicht zuletzt ein entscheidender Faktor unserer Pakistan-Hilfe, zur Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen Religionen beizutragen. So unterstützt die deutsche Caritas in Kooperation mit muslimischen und religionsübergreifenden Partner-Organisationen so genannte Friedensdörfer, in denen Hindus, Muslime und Christen miteinander leben. Der Wiederaufbau bietet uns die große Chance, in konfliktbeladenen Regionen Keimzellen des Friedens zu schaffen. Das haben wir beispielsweise nach dem Tsunami in Indonesien erlebt, wo der gemeinsame Wiederaufbau zur Überwindung von Bürgerkrieg und Verelendung beigetragen hat. So trägt unsere Hilfe durch Taten zum interreligiösen Dialog bei und wirkt als ein sichtbares Zeichen der Nächstenliebe, die keine Unterschiede zwischen Rassen, Religionen und Nationen macht. Alles, was wir vor Ort leisten, wird erst möglich durch das große Engagement all jener, die uns unterstützen. Unser Dank gilt daher allen Spenderinnen und Spendern, Einzelpersonen, Firmen und Organisationen, die uns helfen, neue Perspektiven für die Menschen in Pakistan zu schaffen. Ausdrücklich danken wir auch allen Engagierten in Kirchengemeinden, Caritasverbänden und -einrichtungen für die vielen Benefizaktionen, die eindrucksvoll demonstrieren, dass die Caritas eine große Familie ist, die ein Herz für Menschen in Not zeigt.
Februar 2011