Immer mehr Frauen in Kolumbien und Ecuador geraten in den Menschenhandel und landen in der Prostitution. Oft kommen sie vom Land, in ihren Heimatorten gibt es kaum Arbeit, oder sie wurden vertrieben durch Drogenbanden und den jahrzehntelangen Konflikt der Regierung und der ehemaligen Guerillaorganisation FARC. In den Städten suchen sie dann ein Auskommen, in der Rolle des Familienoberhaupts lastet auf ihnen allein die Verantwortung, und der Druck ist groß.
„In Kolumbien wird man aufgrund der Umstände zur Prostitution gezwungen. Ich hatte überhaupt kein Geld und sah deshalb nur einen Ausweg: Ich ging anschaffen“, erzählt die 40-jährige Amparo Chambo. Sie traf dann auf die Ordensgemeinschaft Hermanas Adoratrices, die die Frauen von der Straße holt und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz bietet. In Bogotá gründeten die Ordensschwestern 1977 eine Nähwerkstatt als Alternative zum Rotlichtmilieu. Aus der Werkstatt ist mittlerweile eine Nähfabrik geworden mit 200 Angestellten. Produziert wird unter anderem für die renommierte Outdoor-Marke „Páramo“. Die Gewinne werden in neue Maschinen und gemeinnützige Projekte investiert, zum Beispiel in eine Wohnungsbaugenossenschaft, ein Gemeindezentrum und eine Schulkantine. Für die Kinder der Arbeiterinnen steht ein Kindergarten zur Verfügung.
Reportage über die Nähfabrik in Bogotá
Für Amparo Chambo war das Treffen mit den Ordensschwestern ein Glücksfall: „Seit zwanzig Jahren arbeite ich nun in der Nähfabrik. In dieser Zeit konnte ich als alleinerziehende Mutter meine fünf Kinder aufziehen, und ich bin stolz, dass sie heute alle die Schule besuchen oder studieren!“
Schritt für Schritt in ein neues Leben
Der Orden hat weltweit 160 Niederlassungen, und immer geht es den Schwestern darum, Frauen mit einer Berufsausbildung und Arbeitsplätzen Alternativen zur Prostitution zu bieten. “Wir holen die Frauen von der Straße“, erklärt Maria Rosaura, Leiterin des Ordens.
Seit 2007 begleitet Caritas international aktiv die Arbeit der Schwestern in Bogotá, seit 2011 wurde das Projekt auf insgesamt sechs Standorte in Kolumbien und Ecuador ausgeweitet.
Die Ordensschwestern gehen in ihrer Arbeit sehr behutsam und schrittweise vor: Zunächst besuchen die betroffenen Frauen und Mädchen tagsüber kostenlose Kurse in Konfektion, Lederverarbeitung, Kosmetik, Kochen, Konditorei, Informatik, Handwerk oder Hauswirtschaft. Nachts gehen sie anfangs noch ihrem Gewerbe nach und versorgen so ihre Familie. Mit den ersten bezahlten Aufträgen in ihrem neuen Beruf aber verringert sich die Nachtarbeit immer mehr. Wenn die Ausbildung abgeschlossen ist, helfen die Schwester bei der Arbeitsvermittlung oder der Gründung eines Kleinbetriebes.
Psychologische Betreuung und Prävention von Missbrauch
Ein weiterer Schwerpunkt im Projekt ist die psychosoziale Begleitung der Frauen, die von sexueller Ausbeutung betroffen sind oder waren. Viele haben Schwierigkeiten, ihre Vergangenheit zu überwinden und Selbstvertrauen aufzubauen. In mobilen Zentren werden die Frauen beraten, motiviert und therapeutisch betreut. Begleitende Schulungen zu Themen wie Menschenrechte, Gleichberechtigung, Konfliktlösung, Erziehungsmethoden und Persönlichkeitsentwicklung stärken die Frauen zusätzlich.
Die Partnerorganisation der Caritas kämpft zudem auch gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in Kolumbien. Mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärungskampagnen an Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen sensibilisieren sie die Bevölkerung für das Thema Missbrauch an Kindern und stärken so auch die Rechte der Betroffenen. In ihren Einrichtungen kümmern sich die Ordensschwestern der Hermanas Adoratrices um mehrere hundert missbrauchte Kinder und Jugendliche. Weil die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in Kolumbien zunimmt, gewinnt diese Arbeit zunehmend an Bedeutung.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.