Nach der Dürre kommt die Flut
Der massive Regen führte in vielen Landesteilen zu massiven Überflutungen, insbesondere im Süd- und Nordosten sowie in Zentraläthiopien. Nach Angaben der UN sind rund eine halbe Million Menschen von den Fluten betroffen. Fast 200.000 haben ihr Zuhause durch die Wassermassen verloren. Häuser und ganze Siedlungen wurden weggeschwemmt. Die noch vor Tagen ausgetrockneten Flussläufe haben sich in reißende Ströme verwandelt. Viele Menschen mussten in Sicherheit gebracht und evakuiert werden.
„Der extreme Regen hat die zugespitzte Situation, ursächlich ausgelöst durch die lange Dürre, weiter zugespitzt“, erklärt Belayneh Belete, der Direktor der Diözesan Caritas Hararghe in Dire Dawa. Wichtig sei daher, dass die Lebensmittelhilfen für die Menschen weiterliefen und jetzt auch Maßnahmen gegen die Flut greifen. Zudem müsse der Mangel an Saatgut, der durch lang anhalltende und wiederkehrrende Dürren verursach wurde, unbedingt und schnell behoben werden. Die Beschaffung von Saatgut gehört zu den Prioritäten. Denn die Menschen hätten während der über zwei Jahre dauernden Trockenheit schlicht ihr Saatgut als Mahlzeit zubereitet, berichtet Caritas Direktor Belete: „Einfach, um nicht zu verhungern.“
350.000 Menschen monatlich hat die Caritas Hararghe bereits während der Dürre mit Nahrungsmitteln versorgt, die sie gemeinsam mit den äthiopischen Behörden verteilt hat. Diese Hilfen müssen weiterlaufen. Denn es wird dauern, bis auf den Feldern wieder Kulturen wachsen und schließlich geerntet werden können. In der Zwischenzeit steht harte Feldarbeit an.
Hilfe benötigen auch die Viehhalter, deren Tierbestand aufgrund der Dürre stark dezimiert wurde. „Die Restbestände müssen wieder gestärkt und geimpft werden“, fordert Belayneh Belete, damit sich die Herden wieder erholen und wachsen können. Sie sind in der kargen Gegend eine unverzichtbare Lebensgrundlage für Nomaden und Kleinbauern.
Der 60-jährige Madane Gulet ist einer von ihnen. „Die Dürre“, klagt er, „war für mich eine große Katastrophe“. Von seinen 200 Rindern seien ihm lediglich 20 geblieben. Immerhin könne er nun wieder in seine Heimat Dankarone Kebele zurückkehren, die er wegen der Trockenheit verlassen hatte. Wäre er von dort nicht geflüchtet, er und seine Familie hätten alles verloren.
Wettlauf mit der Zeit
Nun muss es darum gehen, keine Zeit zu verlieren. Soll die landwirtschaftliche Produktion wieder anlaufen, muss den Bauern Saatgut zur Verfügung gestellt werden. Auch weil auf den lokalen Märkten nichts zu bekommen sei, bemerkt Belete. Die Hilfsorganisationen sind hierbei ebenfalls gefordert. Caritas international und die Caritas vor Ort hat erste konkrete Aktivitäten eingeleitet: Ganz aktuell ist ein Projekt in der Diözese Meki für die dort lebenden Bauern und deren Familien angelaufen. Sie erhalten nun Saatgut, Dünger sowie Tiere - Schafen, Ziegen und Hühner. So können sie umgehend ihre Selbstversorgung in die eigenen Hände nehmen.
Zugleich müssen die Projekte zur Dürrevorsorge, welche die örtliche Caritas Hararghe mit Unterstützung von Caritas international in den vergangenen Jahren umgesetzt hat, mit voller Kraft weiterlaufen. „Wir dürfen nicht müde werden, vorzusorgen“, bekräftigt Belayneh Belete. Das sich diese Anstrengungen auszahlen, haben die Wasserprojekte nicht zuletzt während der lang anhaltenden Dürre bewiesen: „Sie waren durchaus widerstandsfähig.“
Solche Wasserprojekte werden sicher auch künftig für Äthiopien unerlässlich sein und einen wesentlichen Aspekt der Arbeit von Caritas international darstellen. Schließlich folgen Phasen, die das Land mit extremer Trockenheit heimsuchen, immer kürzer aufeinander, und die Dürren werden zunehmend extremer. Darauf müssen die Menschen vorbereitet sein.
Mai 2016