Äthiopien: Nothilfe in der Region Tigray
Die Lage in Tigray im Norden Äthiopiens ist bedrückend. Rund eine halbe Millionen Menschen sind aus den zwischen TPLF-Rebellen und äthiopischen Regierungstruppen umkämpften urbanen Zonen geflohen. Sie verharren in ländlichen Gebieten, wo sie jedoch nur schwer erreichbar sind. Rund 60.000 Menschen sind in den benachbarten Sudan geflüchtet. Es fehlen vor allem Nahrungsmittel, weil der Krieg die Ernten zerstört hat.
Unsere Partner vor Ort berichten Ende Januar von steigender Not: "Banken sind weitgehend geschlossen, es gibt kaum Bargeld, die Märkte funktionieren nicht, daher hungern die Menschen. Die staatliche Nahrungsmittelverteilung ist unzureichend, vielerorts ist kein öffentlicher Transport möglich, das Telefonnetz funktioniert vielerorts nicht. Zudem bleibt die Sicherheitslage prekär, in einigen Regionen wird weiterhin gekämpft. Im äußeren Westen sind 100.000 Menschen vor den Kämpfen aus urbanen Zentren in ländliche Regionen geflohen und ohne Obdach. In der Erzdiözese Adigrat nördlich von Mekele wurden Viehbestände weithin dezimiert, auch deshalb hat sich die Versorgungslage für viele Menschen verschärft."
"Wir können nicht zum Unterricht - fast alle Lehrer sind geflohen." Damit Haileselase (links im Bild) ist zehn Jahre alt und würde gerne zur Schule gehen. Dort ist leider nur kein Lehrpersonal mehr. Die Lage der Kinder in Tigray ist besorgniserregend. Viele sind mangelernährt.
"Die Lage im Norden Äthiopiens ist verzweifelt, wir müssen unsere Hilfen dort schnell ausbauen. Die ersten Menschen verhungern", erklärt Patrick Kuebart, Äthiopienreferent bei Caritas international. "Insbesondere Kinder sind bereits dramatisch unterernährt."
Gemeinsam mit den Projektpartnern in Mekele leistet Caritas international Nothilfe in der umkämpften Region Tigray im Norden Äthiopiens. Hier sind rund 4,5 Millionen Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die aktuelle Heuschreckenplage am Horn von Afrika spitzt den Versorgungsengpass weiter zu: Auf den Märkten sind kaum Nahrungsmittel zu bekommen, zudem haben sich die Preise vervielfacht. Caritas international hat im Januar 2021 weitere 200.000 Euro für Nothilfe zur Verfügung gestellt.
Neben Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern mangelt es auch an Wasser. Die Caritas fährt mit Wasser-Trucks in Gebiete, wo der Zugang zu Wasser sonst stark eingeschränkt wäre. Auch Hygieneartikel wie Seife und Desinfektionsmittel werden an die Menschen ausgegeben, was insbesondere im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie eine wichtige Maßnahme ist. Erste-Hilfe-Kits sollen helfen, die mangelhafte medizinische Versorgung zu überbrücken.
Kurz- und langfristige Maßnahmen gegen den Hunger
Viele Menschen aus Tigray sind in schwer zugängliche ländliche Gebiete geflohen. Manche schaffen es über die Grenze in den Sudan. Die Meisten sind jedoch inzwischen Vertriebene im eigenen Land (Binnenvertriebene). Die Caritas unterstützt die Menschen mit Nahrungsmitteln: Insgesamt 25.000 Kinder unter fünf Jahren sollen eine nährstoffreiche Zusatznahrung erhalten. Familien in besonders prekären Verhältnissen, beispielsweise alleinerziehende Mütter oder Familien mit Familienmitgliedern mit einer Behinderung, erhalten Bargeldhilfen, um sich mit dem Nötigsten einzudecken.
Die Maßnahmen der Caritas gehen über die akute Nothilfe hinaus: So werden die Menschen auch Saatgut (Hirse) bekommen, um nach ihrer Flucht wieder Ackerland bestellen und genügend Nahrungsmittel zum Überleben anbauen zu können. Auch Schafe und Ziegen werden an die Betroffenen der Krise verteilt.
Unsere Partner in Äthiopien, die lokale Caritas sowie die Ordensschwestern aus Mekele, haben einen dringenden Appell an die internationale Caritas-Gemeinschaft gerichtet, sie bei der Versorgung der Vertriebenen zu unterstützen, damit der Konflikt nicht noch mehr Menschenleben fordert. Während des langjährigen Kriegs zwischen Äthiopien und Eritrea haben unsere Partner bereits Erfahrung mit humanitären Krisen gesammelt. Entsprechend signalisierten uns die nationale Caritas schon frühzeitig "Wir bereiten uns darauf vor, mit umfassenden Hilfsmaßnahmen auf die verzweifelte Situation dieser Menschen zu reagieren, sobald ein humanitärer Korridor geschaffen ist."Foto: Caritas-Projektpartner in Äthiopien
Caritas leistet Beitrag zur Friedensarbeit
Die ethnoföderalistische Verfassung Äthiopiens ist der Kern zahlreicher Konflikte zwischen der Bundes- und den Regionalregierungen. Den Frieden zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu wahren, ist eine ebenso schwierige wie wichtige Aufgabe für die Zukunft des Landes. Die Caritas schult daher religiöse Führer in der Friedensarbeit - denn oftmals hängt vieles von deren Dialogfähigkeit ab.
Die Hilfen der Caritas erreichen insgesamt etwa 180.000 Menschen. Die Caritas Äthiopien hat bereits während des langjährigen Kriegs zwischen Äthiopien und Eritrea Erfahrung mit humanitären Krisen gesammelt und ist daher gut vorbereitet. Gemeinsam wollen wir handeln und die Vertriebenen mit dem Nötigsten versorgen.
Zur Situation
Nachdem in Tigray Regionalwahlen abgehalten wurden, die von der Zentralregierung als verfassungsfeindlich angesehen werden, eskalierte der Konflikt. Im November 2020 kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) und der äthiopischen Zentralregierung. Auch von Massakern wird berichtet. Ende November hat die Bundesarmee in einer militärischen Offensive die tigrinische Regionalhauptstadt Mekele eingenommen. Während die tigrinische Seite von Bürgerkrieg spricht, erklärte die Führung aus Addis Abeba die militärischen Kämpfe für beendet. Doch die Region kommt nicht zur Ruhe.
Die Bevölkerung in Tigray lebt seither in der Angst, zwischen die militärischen Fronten zu geraten. Die Versorgungslage ist verheerend. Über Wochen hatte die Zentralregierung die Internet- und Telefonverbindungen nach Tigray weitgehend gekappt und Zufahrtsstraßen blockiert. Nahrungsmittel wurden knapp, ebenso medizinische Güter. Nahezu alle Kommunikation mit dem Ausland lief über die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba. Hinzu kamen erschreckende Berichte über gewaltsame Übergriffe auf Flüchtlinge, die im benachbarten Sudan Zuflucht suchen. Die UN appellierten, humanitäre Korridore innerhalb Äthiopiens zu öffnen, um die Versorgung der Bevölkerung in Tigray zu gewährleisten. Seit Ende Dezember 2020 ist diese Hilfe langsam möglich.