Die Zahl der Straßenkinder in Kenias Ballungszentren wächst stetig. Insbesondere nahm die Anzahl der Straßenkinder rund um Nakuru nach den Unruhen infolge der Wahl 2007 deutlich zu. Im Jahr 2012 leben laut dem Sozialministerium rund 3.000 Straßenkinder in Nakuru - rechnet man die Städte im Nakuru Distrikt und den Bezirk Marigat hinzu, sind es rund 5.000.
Beim Spiel im Straßenkinderzentrum Nakuru Foto: Martina Backes / Caritas international
Viele Kinder der Straße kommen aus sozial vernachlässigten Familien. Die Eltern sind geschieden, haben Alkoholprobleme oder arbeiten in einem anderen Landesteil. Viele sind Waisen ( Kenia zählt bislang 700.000 Aidswaisen). Gewalt und sexueller Missbrauch in der Familie sind häufige Ursachen für die Flucht der Kinder auf die Straße. Zusätzlich nötigt die große Armut in den Familien die jungen Menschen dazu, für ihr eigenes Überleben zu sorgen. Die Situation der Straßenkinder spiegelt die wirtschaftliche Misere wider, in der sich Kenia befindet.
Das Leben auf der Straße birgt viele Risiken. So sind ein vermehrter Drogenkonsum und sexueller Missbrauch zu beobachten. Insbesondere Mädchen sind sehr gefährdet, das Risiko der Prostitution ist hoch und Teenagerschwangerschaften oder einer Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV oft die Folge.
Die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Straßenkindern ist sehr abwertend. Auch wenn bei vielen Kindern der Wille besteht, die Schule zu besuchen, sind schulische Einrichtungen oft wenig bereit, sie aufzunehmen. Dadurch haben die Kinder keinen ausreichenden Zugang zu Bildung und finden keinen Ausweg aus dem Leben auf der Straße.
Gemäß Artikel 20 der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder, die vorübergehend oder dauernd aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst werden oder denen der Verbleib in dieser Umgebung im eigenen Interesse nicht gestattet werden kann, Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates. Die Vertragsstaaten haben nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts andere Formen der Betreuung eines solchen Kindes sicherzustellen. Als andere Form der Betreuung kommt unter anderem die Aufnahme in eine Pflegefamilie, die Adoption oder, falls erforderlich, die Unterbringung in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung in Betracht.
In der kenianischen Gesetzgebung ist ebenfalls festgelegt, dass Straßenkinder ein Recht auf besonderen Schutz und Fürsorge haben. Die Regierung hat die primäre Verantwortung für die Rehabilitierung und Wiedereingliederung dieser Kinder in die Gesellschaft.
Alle Akteure beteiligen
Die Caritas der Diözese Nakuru engagiert sich seit den 1980er Jahren für Straßenkinder. Sozialarbeiter/innen sprechen Straßenkinder aktiv an und laden sie in eines der beiden Zentren in Nakuru ein. Hier werden die jungen Menschen über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren sozialpädagogisch betreut. Beschäftigungstherapie-Angebote wie Malen, Basteln, handwerkliche Tätigkeiten, Spiele und Sport strukturieren hier den Alltag. Auch Aufklärungsarbeit über HIV/AIDS und Drogenkonsum findet statt, meist unter Einbezug der Eltern.
Seit Beginn des Projekts im Jahr 1976 wurden mit Hilfe von Caritas international und dem lokalen Partner rund 2.500 Kinder begleitet und rehabilitiert, allein von 2010 bis 2013 waren es 250 Kinder - und damit 250 individuelle Schicksale. Derzeit werden rund 80 Straßenkinder im Alter von 6 bis 18 Jahren in zwei Rehabilitationszentren betreut, im Mwangaza Street Children Rehabilitation Centre und im Zentrum St. Francis. Beide liegen in den Armenvierteln der Stadt Nakuru.
Bildung für alle
Etwa 400 Kinder sind zudem derzeit in verschiedenen Bildungseinrichtungen eingeschrieben und werden durch die Sozialarbeiter des Programms begleitet: Sie gehen auf Elternabende, halten Kontakt zu der Schulleitung und vermitteln zwischen (Pflege-)Familie und Schule. Wichtig ist dabei die enge Zusammenarbeit mit Stadtteil-Komitees und mit den lokalen staatlichen Einrichtungen, dem Jugendamt und anderen Behörden.
Anfallende Kosten wie das Schulgeld übernimmt zu 80 Prozent die Erzdiözese. Ein Fünftel der Kosten werden von den Kindern oder ihren Familien beigesteuert. Dabei geht es um Wertschätzung: Eltern, die hier etwas aufbringen, vermitteln ihren Kindern, dass sie ihnen am Herzen liegen.
Konzentriert beim Lernen im Straßenkinderzentrum St. FrancisMartina Backes / Caritas international
Bei Kindern, die noch einen Bezug zu ihrer Familie haben, gelingt es den Sozialarbeitern häufig, die familiäre Situation soweit zu stabilisieren, dass die Eltern oder Erziehungsberechtigten ihre Kinder wieder zu Hause aufnehmen. Oft werden Pflegeeltern gesucht, die sich um die Kinder kümmern. In Eltern-Unterstützungsgruppen lernen die Familien voneinander und erkennen, wie sie sich gegenseitig unterstützen können.
Die Erzdiözese begleitet 150 Familien der Straßenkinder und klärt die Gemeinde an Aktionstagen, über Radiosendungen und auf Elternabenden über die Situation und Rechte der Kinder auf. Öffentliche Foren, Medienkampagnen, Tag des afrikanischen Kindes, Bildung von Kinderclubs und Kinderkonferenzen tragen zur Reintegration der Straßenkinder in die Gesellschaft und zur Anerkennung ihrer Rechte bei.
Die 16 Jährige Christine verdient einen Teil ihres Schulgeldes selber, sie sortiert Müll auf der städtischen Mülldeponie.Martina Backes / Caritas international
Abgerundet wird das schulische Angebot durch berufliche Weiterbildungsmaßnahmen für die Jugendlichen. Sie werden darin unterstützt, eine Beschäftigung zu finden oder ihre selbständige Existenz aufzubauen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. So erhalten die Kinder und Jugendlichen den bestmöglichen Zugang zu Bildung.
Einige der ehemaligen Straßenkinder studieren inzwischen an einer kenianischen Universität. Das Projekt trägt damit zur Erreichung der Millenniumsziele "Bildung für alle" bei. Es beschäftigt mit der Unterstützung von Caritas international 16Mitarbeiter/innen, dazu zählen acht ausgebildete Sozialarbeiter/innen.
Eine Chance auf Bildung für Straßenkinder in Nakuru.