Südsudan: Hilfe für die notleidende Bevölkerung
Im ersten Halbjahr 2019 litten diese Menschen noch Hunger. Jetzt sind sie satt und stolz, nicht mehr auf milde Gaben angewiesen zu sein.Foto: Sebastian Haury, Caritas international
Der fünfjährige Bürgerkrieg im Südsudan ist Ursache für eine der weltweit größten humanitären Krisen. Über die Hälfte der Menschen ist bedürftig und auf humanitäre Hilfe angewiesen. Durch den Krieg konnten sie in den letzten Jahren ihre Felder nicht bestellen und importierte Nahrungsmittel sind zu teuer. Über die Hälfte der Bevölkerung leidet daher unter extremer Ernährungsunsicherheit.
Gemeinsam mit verschiedenen Partnern ergreift Caritas in und um Wau, der zweitgrößten Stadt des Landes, Maßnahmen für eine langfristige Ernährungssicherung und schafft Einkommensmöglichkeiten.
St. Marks Initiative: Überleben der Schwächsten sichern
Die St. Marks Initiative ist eine der wenigen Anlaufstellen in der Stadt Wau für Menschen mit Gebrechen.Foto: Sebastian Haury, Caritas international
Bedingungslose Nachbarschaftshilfe zeichnet das Engagement der rund 50 Freiwilligen der St. Marks Initiative in der Stadt Wau aus. In einem der Konfliktzentren des Landes, in dem die unterschiedlichsten ethnischen Gruppen Tür an Tür wohnen, leisten die Ehrenamtlichen Unterstützung unabhängig von Herkunft und Zugehörigkeit der Bedürftigen. Dabei berücksichtigen sie vor allem Betagte, Kranke und Menschen mit Behinderungen sowie deren Kinder. „Elf Ethnien sind bei uns friedlich vereint und leisten beeindruckende Arbeit. Ohne uns und die Hilfe der Caritas würden die Menschen sterben“, so Matteo Mohammed, Gründer der Initiative.
Die Ärmsten der Armen, die Niemanden haben, der sich um sie kümmert, erhalten von der St. Marks Initiative Nahrungsmittel und Hygieneartikel, darunter Hirse, Bohnen, Öl, Salz, Zucker und diätetische Produkte sowie Seife. Verteilt werden sie direkt in den Haushalten und Flüchtlingscamps, in denen die Freiwilligen auch Mahlzeiten kochen. Die zumeist stark verfallenen Hütten werden mithilfe von Material und Werkzeugen ausgebessert und wetterfest gemacht.
Auf der Suche nach eigenen Mitteln zur Selbsthilfe kam Matteo Mohammed außerdem die Idee der Getreidemühle. Mit der Mühle, die von der Deutschen Botschaft finanziert wurde, kann nicht nur Geld eingespart, sondern durch das Mahlen sogar ein kleiner Verdienst generiert werden, der in die Sozialarbeit fließt.
Auch die Freiwilligen, die oft selbst hilfebedürftig sind, erhalten Unterstützung. Caritas hilft ihnen mit Mikrokrediten und Materialien.
Mary Help Association: Mit Ackerbau gegen die Armut
Schwester Gracy, Gründerin der Mary Help Association, auf einem Trainingsfeld, auf dem landwirtschaftliche Schulungen stattfinden.Foto: Sebastian Haury, Caritas international
Wenn Schwester Gracy von der Mary Help Association in die Siedlung kommt, ist sie schnell umringt von den Bewohnern. Die Leute stellen ihr Fragen und freuen sich über ihren Besuch. „Gracy hat uns nicht vergessen. Wir haben ihr viel zu verdanken“, sagt eine junge Frau. Sie gehört, wie die meisten hier im Norden der Stadt Wau, zur Ethnie der Dinka. Eigentlich sind sie Viehhüter und Nomaden, der Krieg hat ihren Radius jedoch stark eingeschränkt. Vieh besitzt kaum noch jemand. „Im Gegensatz zu ihren Nachbarn im Süden und Westen der Stadt haben die Dinka nur wenige Kenntnisse über landwirtschaftlichen Anbau“, erklärt Sebastian Haury, Südsudan-Referent bei Caritas international. Das führte dazu, dass die Menschen sich nicht ausreichend versorgen konnten, ihr Gesundheitszustand war schlecht, viele waren unterernährt.
Gemeinsam mit Schwester Gracy und der Mary Help Association setzt Caritas international für die Menschen im Umland von Wau ein Projekt zur Ernährungssicherung um, das von PHINEO finanziert wird. Bis die nächste Ernte eingefahren werden kann, werden die Menschen mit Sorghum, Bohnen und Speiseöl versorgt. Parallel dazu bekommen sie landwirtschaftliche Schulungen, die auf Trainingsfeldern stattfinden. Ausgestattet mit Saatgut, schnell wachsenden Setzlingen, Spaten, Hacken und Schubkarren setzen sie das Erlernte praktisch um. Der Ansatz funktioniert: Die Erdnussernte war dieses Jahr so gut, dass die Bevölkerung den Überschuss verkaufen kann und dadurch ein Einkommen hat.
Das Projekt zeigt noch weitere positive Wirkungen: Die Bepflanzung gerodeter Flächen beugt der Erosion vor und mildert die Auswirkungen des Klimawandels. Und auch die Frauen profitieren von ihrer Arbeit auf den Feldern. Durch die Ernteerfolge ist ihr gesellschaftliches Ansehen massiv gestiegen.
Die indisch-salesianischen Ordensschwestern der Mary Help Association betreiben außerdem ein Krankenhaus, in das Menschen meilenweit aus dem Umland zu Fuß kommen. Mit 64 Betten und einer Kapazität von täglich 500 ambulanten Patienten ist es eines der wenigen funktionierenden Gesundheitszentren der Region.
Zur Situation
2011 erklärte der Südsudan seine Unabhängigkeit vom Sudan. Im Dezember 2013 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des südsudanischen Präsidenten Salva Kiir Mayardit und des entlassenen Vizepräsidenten Riek Machar. Seitdem herrschte im Land Krieg, der hunderttausende Menschenleben forderte und Millionen in die Flucht zwang: rund 1,6 Südsudanes*innen leben noch immer als Flüchtlinge im eigenen Land (Binnenvertriebene). Das im September 2018 ausgehandeltes Friedensabkommen wurde im Februar 2020 schließlich beschlossen. Doch immer wieder aufflammende Kampfhandlungen und Übergriffe sowie die existentielle Not der Menschen zeigen: Die humanitäre Krise ist noch lange nicht vorbei.