Indonesien: Nothilfe und Wiederaufbau nach Tsunami
Gemeinsam den Wiederaufbau stemmen
In Palu ist seit dem 28. September 2018 nichts mehr so, wie es einmal war. An dem Tag wurde die Stadt auf der indonesischen Insel Sulawesi gleich von drei Katastrophen getroffen. Erst erschütterte ein Erdbeben die Region, dann ging ein neun Meter hoher Tsunami auf die Küste nieder. Das Erdbeben sorgte zusätzlich dafür, dass sich an mehreren Stellen der Insel der Boden auftat. Bodenverflüssigungen, bei denen sich das Erdreich plötzlich mit darunter gelegenem Grundwasser vermischte und einen tödlichen Strudel erschuf, verschluckten ganze Siedlungen und verschütteten hunderte Menschen.
Hikmah erzählt im Gespräch mit einem Mitarbeiter der hiesigen Caritas, wie sie den Tsunami er- bzw. überlebt hat.Foto: Bente Stachowske/ Caritas international
Die 41-jährige Hikmah und ihre Familie haben die zerstörerische Kraft dieses extrem seltenen Naturphänomens am eigenen Leib erlebt – und überlebt. „Ich schlief im Wohnzimmer, als die Erde bebte. Ich dachte erst, es wäre ein Traum. Ich bin auf den Boden gefallen, dann sind wir alle schnell aus dem Haus gerannt“, erinnert sie sich.
Denkbar knapp konnte sie sich mit einem Sprung von der Terrasse retten, bevor sie sah, wie ihr Haus einstürzte. „Wir flüchteten uns dann auf die andere Straßenseite. Von dort konnten wir mitverfolgen, wie einfach alles mitgerissen wurde. Es war, als würde das Land laufen. Mal wurden Dinge hineingezogen, mal hinausgeworfen. Wir rannten dann immer weiter bergauf. Nachdem alles vorbei war, haben wir die Überreste unseres Hauses 500 Meter entfernt von seinem eigentlichen Standort wiedergefunden.“
Besonders traumatisiert von den Ereignissen ist ihre Tochter, die achtjährige Manda. „Sie kann sich immer noch an alles erinnern, jedes Detail“, sagt Hikmah. „Am Anfang war sie noch sehr verängstigt. In diesem Stadium musste ich sie auch immer noch zur Schule begleiten. Als sie ins Bett sollte, hielt sie sich an meinem Rockzipfel fest. Sie befürchtet oft, dass sich die Erde wieder bewegt.“
Hikmah wohnt mit ihrer Familie in einer provisorisch zusammengezimmerten Hütte am Rande eines der vielen Lager in der Palu, die für die tausende obdachlos gewordenen Menschen in aller Eile hoch gezogen wurden.
Wie viele andere Betroffene kann die Mutter von zwei Kindern derzeit nur davon träumen, wieder ein eigenes Haus zu besitzen. „Wann und ob es je dazu kommt, weiß nur Gott“, sagt sie.
Ein Dorf packt an
Beim Wiederaufbau helfen alle Dorfbewohner. Auch Subhan (Mitte) packt mit an. Foto: Bente Stachowske/ Caritas international
In Lombonga, rund drei Autostunden von der Stadt Palu in nördlicher Richtung entfernt, sind die Bewohner schon einen kleinen Schritt weiter. Im Dorf des 39 Jahre alten Subhan packt jeder mit an. Auch der Rollstuhlfahrer, der eine Fehlbildung der Hände hat, reicht Stein um Stein an seinen Nebenmann weiter. Mit ihnen sollen die Wände einer provisorischen Unterkunft gebaut werden, denn das Erdbeben Ende September zerstörte in dem Ort ein Dutzend Häuser vollständig und beschädigte nahezu alle anderen. Der durch das Beben ausgelöste Tsunami verebbte zum Glück einige hundert Meter vor dem Dorf.
Das Steinhaus soll erst einmal nur als Behausung für den Übergang dienen. Unter Anleitung einer Caritas-Partnerorganisation werden hier in den kommenden Wochen dann Dutzende Häuser entstehen, die nach einfachen, aber modernen Standards errichtet werden. Der erste, der davon profitieren wird, ist Subhan mit seiner Familie. Festgelegt hat das die Dorfgemeinschaft selbst, die von Experten darin geschult wurde, die Schäden an den Häusern fachmännisch zu beurteilen, und dann darüber entschied, wem von den Bewohnerinnen und Bewohnern aus sozialen Gründen zuerst geholfen werden sollte.
Sie wurden darüber hinaus mit moderner Technik ausgestattet, etwa mit GPS-Geräten, mit denen sie die Lage der Häuser genau vermessen und kartographieren können.
„Wir legten unser Schicksal in Gottes Hände“
An den Tag des Erdbebens denkt Subhan mit Schrecken zurück, auch wenn die Familie die Katastrophe unbeschadet überlebte. „Wir wollten gerade mit dem Morgengebet beginnen, als plötzlich die Erde bebte. Wir haben uns dann alle flach auf den Boden gelegt und unser Schicksal in Gottes Hände gelegt“, berichtet Subhan. Wie er selbst hat auch seine Frau Hartati eine körperliche Behinderung, die sie in ihrer Mobilität einschränkt. „Wir waren vollkommen hilflos und sind schier verzweifelt, weil wir nicht in der Lage waren, unsere Kinder in Sicherheit zu bringen.“ Doch alle überlebten, und auch ihr Haus hielt für den Moment stand. Seither ist es jedoch einsturzgefährdet.
Er ist sichtlich glücklich, bald ein neues Haus zu bekommen. „In der Behausung, in der ich jetzt lebe, habe ich viele Probleme. Es ist in keiner Weise behindertengerecht oder erdbebensicher. Überhaupt ist es nur eine Notlösung“, sagt Subhan. Er sei auch sehr dankbar, dass es in seinem Ort einen so großen Zusammenhalt gebe und wirklich jeder dem anderen helfe, betont er. „Ich bin aber auch glücklich darüber, dass wir von der Außenwelt nicht vergessen werden. Gerade die Unterstützung der Caritas ist für uns unbezahlbar.“
Holger Vieth, Februar 2019