Griechenland: Nothilfe für Geflüchtete auf Lesbos
Die Lage auf Lesbos bleibt angespannt. Das nach dem Brand in Moria eilig errichtete Zeltlager RIC, das zukünftig bis zu 10.000 Menschen beherbergen soll, hält bereits den aktuell 7.000 Bewohnerinnen und Bewohnern nicht stand. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser ist nicht gewährleistet, es fehlt an Duschen und Toiletten. Da das Camp direkt an der Küste gebaut wurde, sind die Menschen Sturm und Regen schutzlos ausgeliefert. Bereits im Herbst kam es zu schweren Überschwemmungen. Zelte standen knöcheltief unter Wasser, verzweifelt versuchten die Bewohnerinnen und Bewohner ihr weniges Hab und Gut vor dem Wasser in Sicherheit zu bringen.
Unmenschliche Lebensbedingungen
Die Frauen, Kindern und Männern, die in dem als Übergangslösung geplanten Lager ausharren müssen, flohen vor Krieg und Terror aus ihrem Land und hofften auf Frieden und Sicherheit in Europa – doch die griechischen Lager sind die nächste Katastrophe, das nächste Trauma. Der Winter stellt die Lagerbewohner vor noch größere Schwierigkeiten, denn Nässe und Kälte verschlechtern die Lebensbedingungen zusätzlich.
Schutz und Privatsphäre gibt es für die Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos nicht. Das neu errichtete Flüchtlingscamp bietet zudem weder ausreichend Duschen noch Toiletten. Im Winter verschelchtern sich die Lebensbedingungen weiter. Es gilt, schnellstmöglich zu handeln und eine langfristige Lösung zu finden. (Symbolfoto aus dem ehemaligen Camp Moria)Foto: Alea Horst
Nothilfe und ein offenes Ohr
Die Mitarbeitenden der Caritas Hellas, der lokalen Partnerorganisation von Caritas international, stehen den betroffenen Menschen mit Nothilfe zur Seite. Sie errichten 40 Toiletten innerhalb des Camps und kümmern sich um deren Instandhaltung. Auch verteilen sie dringend benötigte Nahrungsmittel und Decken.
Im Mittelpunkt steht die psychosoziale Arbeit: Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner des Camps haben auf ihrer Flucht Schreckliches erlebt. Die Caritas-Mitarbeitenden hören zu, geben Rat und leisten professionelle psychologische Hilfe. Besondere Aufmerksamkeit ist den Frauen und Kindern gewidmet, sie machen aktuell mehr als die Hälfte aller Geflüchteten aus.
"Die Menschen im Camp sind hoch belastet. Sie haben Schreckliches erlebt – in ihren Heimatländern, auf der Flucht und auch in den griechischen Lagern. All das summiert sich", erklärt Katia Polychroni, Caritas-Mitarbeiterin und Psychologin auf der griechischen Insel Lesbos. Krieg, Terror und Flucht hinterlassen tiefe Spuren in der Psyche von Geflüchteten. Viele brauchen professionelle Unterstützung.
Foto: Bente Stachowske
Eine Katastrophe mit Ankündigung
Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, hatte immer wieder auf die prekäre humanitäre Situation der Geflüchteten auf den griechischen Inseln hingewiesen und sich für eine Verbesserung der unzumutbaren Lebensumstände in den Camps eingesetzt. Moria sowie das neu errichte Camp auf Lesbos stehen für einen Tiefpunkt europäischer Abschottungspolitik, bei der die Menschenwürde auf der Strecke bleibt.
121.000 Migrantinnen und Migranten leben aktuell in Griechenland, davon rund 27.200 Flüchtlinge und Asylsuchende auf den ägäischen Inseln (Quelle: UNHCR). Die Mehrheit unter ihnen stammt aus Afghanistan (47 Prozent), Syrien (19 Prozent) und der Demokratischen Republik Kongo (6 Prozent).
Setzen Sie sich gemeinsam mit Caritas international für menschenwürdige Zustände auf Lesbos ein. Helfen Sie uns zu handeln.
Schon vor dem Brand von Moria hat Caritas international gemeinsam mit Caritas Griechenland die bestehenden Nothilfemaßnahmen aufgrund der Dringlichkeit der Situation intensiviert. Die Mitarbeitenden von Caritas Griechenland helfen den Geflüchteten in Lesbos, Chios, Athen und Thessaloniki unter anderem mit Rechtsberatung, mit Sprach- und Integrationskursen, unterstützen sie bei der Suche nach Arbeit und Wohnraum, leisten psychologische und psychosoziale Hilfe und verteilen Hilfsgüter. Auf Lesbos gibt es außerdem einen Dolmetscherdienst: Caritas-Mitarbeitende übersetzen zwischen Betroffenen und dem medizinischen Personal bei Krankentransporten oder während Arztterminen. Dieser Service ist in der jetzigen Notlage auf Moria noch wichtiger.
Schutz und Privatsphäre gibt es für die Flüchtlinge in Chios praktisch nicht.Foto: Caritas Griechenland
Die Unterstützung von Caritas international bleibt jedoch nicht einseitig auf die Geflüchteten beschränkt. Ein Teil der Hilfen kommen der Inselbevölkerung zu Gute, denn auch dort gibt es etliche Menschen in Not und Verzweiflung. Schnelle und zielgerichtete Hilfe ist jetzt auf Moria für alle Beteiligten entscheidend. Dafür ruft Caritas International zu Spenden auf.
Zohra Amyridar kennt die Zustände in Flüchtlingscamps leider nur zu gut. Die junge Afghanin ist eine der Wenigen, die aus dem damaligen Elendslager Moria in das vergleichsweise behütete Kara-Tepe-Camp umziehen durfte. "Es war kalt, es hat geregnet und wir hatten nur selten Strom. Irgendwann ist unser Zelt unter dem Regen zusammengebrochen. Wir waren ständig am Zittern", erinnert sich die 32-jährige Mutter an ihre Zeit in Moria. In Moria hat sich Zohra nie sicher gefühlt. Viele Bewohner*innen seien nervlich am Ende gewesen, gereizt oder sogar aggressiv, erzählt sie. "Vor allem nachts kam es oft zu brutalen Streitereien. Einmal wurde unser Zelt aufgeschlitzt. Wir haben kaum noch ein Auge zugetan in Sorge um die Kinder."
Zohra mit ihrem Mann in Lesbos: "Ich liebe das Meer, aber es wird mich immer an unsere Flucht erinnern."Foto: Caritas Griechenland
Dabei waren Zohra und ihre Familie genau aus solchen Gründen aus Afghanistan geflohen. Immer wieder gab es in ihrer Heimat Anschläge auf Märkten oder in Schulen. Wenn Zohra einkaufen ging, konnte sie sich nicht sicher sein, ob sie zu ihren Kindern zurückkehren wird. Mehrfach wurde ihr Haus durch Bombenangriffe zerstört. Die Familie verlor mehrere Angehörige. Auch die Flucht nach Europa war die reinste Tortur: Zu Fuß, über Wochen, durch unwegsames Gelände, im Schnee über Berge, bis in die Türkei. Erst beim dritten Versuch gelang die lebensgefährliche Überfahrt mit einem Boot nach Lesbos.
Stavros Mirogiannis: "In Kara Tepe sind wir alle gleich. Wir sind alle Menschen unter Gottes großem Dach". Foto: Bente Stachowske, Caritas international
In Kara Tepe haben Zohra Amyridar und ihre Familie endlich einen Raum, in dem sie aufrecht stehen können. Die Kinder haben ein Bett und können die Schule besuchen, ja sogar ein Musikinstrument lernen. Zohra selbst lernt Griechisch und belegt Handarbeitskurse. Es gehört zu der Philosophie von Stavros Mirogiannis, dem Leiter von Kara-Tepe, den Geflüchteten unbedingt das Gefühl zu vermitteln, sich nützlich zu fühlen. Deshalb wird die Infrastruktur des Camps auch von den Geflüchteten selbst erhalten. Sie betreiben beispielsweise eine Teeküche, einen Friseursalon und eine Kleiderkammer. Zohra wünscht sich vor allem eines: "Eine gute Zukunft für meine Kinder - in Frieden und Sicherheit!"