Aufgrund der vielen Minen kann Feldarbeit in der Region Samaniego lebensgefährlich sein.Foto: Jürgen Escher, Caritas international
Als Pablo Rodríguez* nach der Explosion auf der Weide im Krankenhaus zu sich kommt, fehlt ihm ein Bein. Der kolumbianische Bauer war beim Versuch, zwei seiner Kühe einzufangen, auf eine Landmine getreten. Sein Bein wurde zerfetzt, Blut schoss hervor. Mit letzter Kraft schleppte sich Pablo Rodríguez zur Straße hoch, immer in Gedanken an seine Familie. "Ich dachte ans Sterben und daran, dass ich mich nicht von ihnen verabschieden kann", erinnert er sich mit Tränen in den Augen.
Im Jahr 2020 wurden in Kolumbien 506 Vorfälle mit Sprengstoffen registriert. Hierbei handelt es sich um zurückgelassene Kampfstoffe aus dem fünfzigjährigen Bürgerkrieg und um neue Sprengfallen, die von bewaffneten Gruppen aufgestellt wurden. Vor allem die kleinen ländlichen Gemeinden sind betroffen und mit ihnen die dortige Bevölkerung, die meist von der Landwirtschaft lebt.
Im Krankenhaus beschäftigte den verletzten Bauern Pablo Rodríguez die Frage, wie er seine Familie in Zukunft ernähren kann. Die "Pastoral Social", so heißt die Caritas in Kolumbien, erwies sich als richtige Ansprechpartnerin. Sie klärte Pablo Rodríguez und seine Familie über ihre Rechte auf und welche staatlichen Leistungen ihnen zustehen. So erfuhren sie von einem Fonds für Konfliktopfer, staatlichen Sozialprogrammen und dem Anrecht auf psychologische Betreuung. Mit dem Geld, das die Familie erhielt, kaufte sie drei Tiere. "Jetzt sind es sogar schon acht Rinder", erzählt der Bauer stolz. Er rät allen Konfliktbetroffenen, weiterzumachen und sich nicht von Schicksalsschlägen einschüchtern zu lassen.
Wie wir helfen
Bereits seit dem Jahr 2007 betreibt die Caritas in Kolumbien Projekte zur Gefahrenreduktion von Landminen. Der Fokus liegt hier auf Aufklärung. Ein Gemeindevorsteher erklärt: "Die Menschen lernen in Kursen, welche Wege vor Minen sicher sind und wo sie in den Ortschaften ohne Risiko arbeiten können. Wir zeigen ihnen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie eine Mine finden." Auch fänden regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse statt.
Sicheren Umgang mit Landminen lernen
Viele der Männer und Frauen, die Opfer von Landminen wurden, sind traumatisiert. Sie müssen ihr ganzes Leben umstellen und verlieren nicht selten ihren Arbeitsplatz. Um sie auf ihrem schwierigen Weg zu begleiten, stellt Caritas die psychosoziale Betreuung sicher. Mitunter werden auch die Kosten für Behandlungen, Krankenhausaufenthalte und Prothesen übernommen. All das mit der Unterstützung von Caritas international.
Doch die Gewalt in Kolumbien hat viele Gesichter und Landminenexplosionen sind nur eines davon. Die Caritas-Hilfe stellt sich deswegen breit auf: Neben der Unterstützung von Landminenopfern haben sich unsere Partner vor Ort noch weitere, konkrete Ziele gesetzt, um die humanitäre Situation der Menschen zur verbessern:
- Die Caritas Kolumbien verteilt Lebensmittelpakete, Kochutensilien und Saatgut an arme und von Hunger geplagte Menschen.
- Mit Wasserfiltern, Wassertanks und Hygienekits sichern unsere Partner vor Ort den Zugang zu sauberem Trinkwasser für viele Menschen. Durch mehr Hygiene sinkt auch das Risiko einer Covid-19-Infektion.
- Wir fördern den Friedensprozess in Kolumbien, indem wir die Gemeinden und indigene Basisorganisationen stärken. Mehr Infos hier:
Dieses Projekt wird mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt.
*Namen geändert
Zur Situation
Der Friedensvertrag, den die kolumbianische Regierung und die Guerillaorganisation FARC im November 2016 gemeinsam unterzeichneten, war ein erster Schritt zur Beendigung des über fünfzig Jahre dauernden Konfliktes. Ein Konflikt, der mehr als 220.000 Menschen das Leben kostete und mehr als sieben Millionen Menschen von ihrem Land vertrieben hat. Trotz Friedensvertrag kommt es jedoch weiterhin zu Gewalt, gezielten Morden und Vertreibungen. In den ehemaligen FARC-Gebieten entstand ein Machtvakuum, das die Regierung weder gesellschaftlich noch militärisch schließen konnte. Bewaffnete Akteure und Guerillagruppen kämpfen jetzt um die Kontrolle in Regionen, die meist strategisch wichtige Punkte im Drogenanbau und -handel sind.
Die ländlichen Gebiete sind durch Minen und hinterlassene Kampfstoffe verseucht, worunter besonders die Bauernfamilien leiden. Immer wieder kommt es zu Unfällen durch Sprengstoffe: Bis 2021 forderte der Bürgerkrieg über 10.000 Landminenopfer, rund 80 Prozent davon sind Zivilpersonen. Alarmierend ist, dass die Zahl der Unfälle zunimmt. Dies ist auf die bewaffneten Akteure zurückzuführen, die die Regionen kontrollieren und Aktionen zur Minenräumung massiv behindern oder sogar zum Erliegen bringen. Auch der Einsatz von Antipersonenminen zum Schutz illegaler Kokafelder nimmt wieder zu. Die Bevölkerung lebt in Angst, kann ihre Felder nicht bewirtschaften und ist in ihrer Bewegungsfreiheit blockiert. Somit sind die Menschen auf Unterstützung und Humanitäre Hilfe angewiesen.