Irak: Hilfe für die Vertriebenen
Sie hatten Glück. Als der IS ihr Dorf im irakischen Sindschar überfiel, waren gerade Schulferien. So waren alle zusammen als Farmhelfer bei der Feldarbeit, als sie die Männer heranrücken sahen, und konnten gemeinsam fliehen: "Wir packten schnell unseren kleinen Lastwagen, mit dem wir zum Feld gefahren waren, und wussten in diesem Moment, dass es auf lange Sicht kein Zurück mehr geben wird. Wir wollten nur noch weg. Weg von diesen Verbrechern!", berichtet Sharifa Khivo, die 36-Jährige Mutter der vier Kinder Ibrahim, Ziad, Zaed und Azat. Sie sind eine jesidische Familie.
Sharifa (zweite v. rechts) und ihre Familie teilen sich ein Zimmer zum Wohnen und schlafen.Foto: Philipp Spalek / Caritas international
Sharifa ist seit zehn Jahren geschieden und seitdem alleine verantwortlich für ihre Familie: "Wir fuhren direkt in den Nordirak, hierher nach Derabun nahe der syrischen Grenze. Man zeigte uns leer stehende Baracken eines Militärpostens des Saddam-Regimes und so hatten wir erst einmal ein Dach über dem Kopf. Später baute eine Hilfsorganisation Fenster und Türen ein." Das Haus ist sehr einfach, sie haben nur einen Raum, in dem die fünf Familienmitglieder wohnen und schlafen. Ibrahim, ihr ältester Sohn, hat vor drei Jahren geheiratet, seine Frau Safan wohnt ebenfalls hier. Die beiden können keine Kinder kriegen. Er hat es bereits untersuchen lassen, es liegt an ihm, man könnte operieren. Aber dafür ist kein Geld da. Die finanzielle Situation der Familie ist extrem schwierig.
260 Euro müssen für die sechsköpfige Familie reichen
Hauptverdiener der Familie ist der 17-Jährige Ziad, der tagein, tagaus Schafe hütet in der Umgebung der Baracke. Dafür bekommt er 200 Euro im Monat. Ibrahim kann gelegentlich an der Grenze zu Syrien beim Umladen von LKWs helfen und verdient damit 60 Euro im Monat. Wenn er frei hat, hilft er seinem Bruder beim Schafe hüten. Mit diesen 260 Euro monatlich muss sich die sechsköpfige Familie ernähren. Damit muss sie alles bestreiten, was irgendwie Geld kostet. Die Baracke ist mietfrei, immerhin, doch leben sie auf ehemals militärisch genutztem Gelände, das jederzeit wieder beansprucht werden kann in dieser unruhigen Region.
Ziad Khivo (links) verdient jeden Monat 200 Euro mit dem Hüten von Schafen. Es ist die wichtigste Einkommensquelle der gesamten Familie. Sein Bruder Ibrahim (rechts) hilft ihm, wann immer er Zeit dafür hat.Foto: Philipp Spalek / Caritas international
Die Sonne scheint heute, gerade hat ein Schaf geboren. Sharifa füttert es mit einer Babyflasche, weil das Mutterschaf noch keine Milch gibt. "Wenn meine beiden jüngeren Kinder Zaed und Azat nicht in der Schule sind, helfen sie mir im Haushalt und mit den Tieren. Wir haben auch Hühner, damit wir gelegentlich Eier essen können", erzählt Sharifa, während sie dem Lämmchen die Flasche gibt. Die Caritas hat der Familie jahrelang direkte finanzielle Hilfe geleistet, mit 750 Euro jährlich. Zudem sorgte sie für Matratzen, Decken, ein Heizgerät und sowie Kerosin, um die Winter in dieser kalten Region erträglich zu machen. "Ohne die Caritas hätten wir es nicht geschafft, wir hätten hungern müssen und betteln. So konnten wir uns von dem Schock erholen und können jetzt auf eigenen Füßen stehen."
Wir besuchen Ziad draußen bei den Schafen. Er freut sich, der Besuch bringt Abwechslung in den Tag: "Ich würde gerne mehr verdienen, bin aber froh, dass ich das hier tun kann und damit meine Familie versorge", sagt der 17-Jährige. Dann fügt er noch hinzu: "Wenn man den ganzen Tag allein da draußen ist, fühlt man sich bald selbst wie ein Schaf!" Er lacht, und unsere Bewunderung für diesen tüchtigen jungen Mann ist ihm sicher.
Jörg Schaper besuchte Sharifa und ihre Familie im Februar 2019