Hoffnungslosigkeit, Frustration und mangelnde Perspektiven bestimmen den Alltag vieler syrischer Flüchtlinge in Jordanien. Über 90 Prozent von ihnen leben in Armut, auch weil eine Arbeit von staatlicher Seite nur in wenigen Bereichen wie Landwirtschaft oder Baugewerbe genehmigt wird und die jordanische Wirtschaft darnieder liegt. Die meisten Syrerinnen und Syrer leben bereits seit vielen Jahren als Flüchtlinge in Jordanien, ihre Bedürfnisse haben sich seit Beginn des Syrienkriegs im Jahr 2011 wenig verändert: Noch immer sind sie von Nahrungsmittel- und Mietbeihilfen abhängig, um zu überleben.
Eltern können es sich oft nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Viele Mädchen und Jungen verbringen den Tag zu Hause oder müssen zum Unterhalt der Familie durch Arbeit beitragen. Sie wachsen dadurch ohne Chance auf Bildung und soziale Kontakte auf. Sie wie auch die Erwachsenen benötigen neben materieller auch psychosoziale Unterstützung. Ihre Kriegserfahrung und ihre prekäre Existenz als Flüchtling in Jordanien bringen diese Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Nothilfe für die Opfer des Syrienkrieges
Caritas international unterstützt deshalb umfassende Nothilfeprojekte zur Deckung der Grundbedürfnisse syrischer Flüchtlinge, die außerhalb der offiziellen Flüchtlingslager leben. Doch auch bedürftige Jordanierinnen und Jordanier werden unterstützt. Die Familien erhalten Nahrungsmittel und Hygieneartikel, Mietbeihilfen, medizinische Betreuung und Winterhilfen in der kalten Jahreszeit. Die Hilfen umfassen auch Menschen mit Behinderung, Kranke, Alleinerziehende, ältere Menschen und kinderreiche Familien oder Waisen.
In sogenannten Mutter-Kind-Projekten organisiert die Caritas Jordanien mithilfe der deutschen Caritas Bildungsangebote für die Kinder. Eine wichtige Anlaufstelle ist beispielsweise die Albweyda-Schule des jordanischen Wohlfahrtsvereins für Soziale Entwicklung in Ramtha. Dr. Bilal Jararwh ist Leiter der Schule. "Bildung ist eines der wichtigsten Dinge, auch im Vergleich zu anderen Hilfen. Wir geben Nachhilfe und unterrichten", sagt er. Die Caritas arbeitet schon seit 2014 mit dem gemeinnützigen Verein zusammen.
Würde und Selbstbestimmung bewahren
Eine Frau erhält im Caritas Sozialzentrum Irbid in Jordanien eine Geldkarte für Bargeldhilfen.Foto: Caritas international / Jennifer Ciochon
Seit einigen Jahren unterstützt Caritas Flüchtlinge zudem mit Bargeldhilfen über ein Geldkartensystem. Viele der syrischen Flüchtlingsfamilien waren bis zu diesem Zeitpunkt jahrelang von Hilfsgütern abhängig und können über diese neue Art der Unterstützung ihre Ohnmacht und Passivität überwinden. "Es ist für uns syrische Flüchtlinge schwierig, immer wieder um Hilfe bitten zu müssen. Es ist erniedrigend, weil man das Gefühl bekommt, allein darauf reduziert zu werden", klagt der Syrer Rajaa Mustafa al-Maqdad, der mit seiner neunköpfigen Familie in Ramtha lebt. "Aber bei der Caritas ist das anders. Dort behandelt man uns respektvoll und als gleichwertig. Es hilft uns, den Kopf wieder oben zu tragen."
Zu den begünstigten Familien zählen auch Bilal und Safaa Khoouj mit ihren fünf Kindern, die aus Homs geflüchtet sind. Bilal fand in Jordanien keine Arbeit und musste sich verschulden, um das Nötigste bezahlen zu können. "Es ist nicht schlimm, wenn ich hungern muss. Aber ich sorge mich um meine kleinen Kinder", schildert er seine Notlage. Die Caritas nahm die Familie in ihr Nothilfeprogramm auf.
Der Ansatz der Caritas stärkt die Würde und Handlungsfähigkeit der Menschen, indem sie wieder selbst über ihre eigenen Bedürfnisse entscheiden können. "Unsere Bargeldhilfen sind an Beratungen geknüpft. Wir schauen gemeinsam mit den Menschen, welche Ausgaben wirklich nötig sind und wo sie sparen können. Wir stellen sozusagen zusammen ein Haushaltsbudget auf", erläutert Beliza Espinoza, Mitarbeiterin von Caritas international in Jordanien.
Im Laufe des Jahres 2020 wurden die Bargeldhilfen weiter aufgestockt, denn die Corona-Pandemie hat die ohnehin schwierige Lage syrischer Flüchtlinge noch einmal verschärft.
Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt unterstützt. Die Bargeldhilfen werden von der Diözese Rottenburg-Stuttgart mitfinanziert.
Zur Situation
11,4 Millionen Syrerinnen und Syrer waren im Jahr 2020 nach Angaben der Vereinten Nationen dringend auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Sechs Millionen sind Vertriebene im eigenen Land und über fünf Millionen flohen ins Ausland. In Jordanien mit seinen 9,7 Millionen Einwohnern sind laut der Vereinten Nationen 670.000 Syrerinnen und Syrer registriert. Die jordanische Regierung schätzt, dass sich de facto sogar 1,4 Millionen syrische Flüchtlinge im Land aufhalten.