
Ein Beitrag von Charlott Friederich
Online-Redakteurin bei Caritas international
07. April 2022 / Lesedauer: 3 Minuten
"Zucker: einmal! Haferflocken: einmal! Margarine: zweimal! Kondensmilch und Studentenfutter!" Yves Passlack ruft die ersten Zutaten durch die riesige Lagerhalle. Der Marktleiter aus Münster kennt die Produkte, die in die Hilfspakete müssen, inzwischen auswendig. Jeden Tag muss er bis zu 60 Ehrenamtliche anweisen, die Kartons befüllen, zukleben und auf Paletten stapeln. Gerade ist Schichtwechsel. Die neue Gruppe Helfer_innen stehen an der selbst gebauten Packstraße und hört Passlack konzentriert zu. Am Ende ihrer Schicht werden sie 1300 Lebensmittelpakete geschnürt haben - genug, um den ersten LKW auf den Weg in die Ukraine zu schicken. Dort werden die Hilfsgüter aus Deutschland schon sehnlich erwartet.
Ehrenamtliche Helfer_innen in MünsterFoto: Hermann Köhler
Die Hilfsaktion wurde von Caritas international beauftragt und auf die Beine gestellt: 20.000 Pakete mit Lebensmitteln, das sind umgerechnet rund 150 Tonnen, für notleidende Menschen in den ukrainischen Kriegsgebieten. Die Caritas Ukraine hatte um diese Hilfe gebeten und den Inhalt der Kartons genau benannt: haltbare oder direkt verzehrbare Ware wie Nudeln, Haferflocken, Fisch- und Fleischkonserven, Kekse oder Müsliriegel für die schnelle Energiezufuhr. Die Beschaffung der geforderten Mengen und den Transport in die Ukraine bezahlte Caritas international, das Katastrophen-Hilfswerk der deutschen Caritas, von privaten Spenden. Der Caritasverband für die Diözese Münster organisierte 350 Freiwillige, die den beauftragten Lieferanten beim Packen unterstützen.
15 LKW randvoll mit Lebensmitteln
Christian Dehmel, Logistiker bei Caritas internationalFoto: Hermann Köhler
"Diese Aktion ist etwas Besonderes", erklärt Christian Dehmel, der bei Caritas international die Logistik von Hilfstransporten verantwortet. "Es kommt inzwischen eher selten vor, dass wir Hilfsgüter in Deutschland beschaffen und in Krisengebiete bringen. Normalerweise kaufen die Caritas-Partner die benötigte Ware direkt vor Ort und wir unterstützen sie dabei." Im Fall der Ukraine sei aber eine Ausnahme von der Regel nötig gewesen. Seitdem der russische Invasionskrieg tobt, werden die Lebensmittel vielerorts im Land knapp. Außerdem ist es schwierig, einkaufen zu gehen, wenn Bomben fallen. Die Menschen in den umkämpften Gebieten müssen stundenlang in Kellern ausharren.
Auch in den Nachbarländern wie Polen oder dem armen Moldawien ist es in den letzten Wochen schwieriger geworden, große Mengen an Nahrungsmitteln in kurzer Zeit zu beschaffen. Eben deswegen hat die Caritas Ukraine die deutsche Schwester neben finanzieller Unterstützung diesmal auch um Nothilfe in Paketen gebeten. Gemeinsam mit den Kollegen in der Ukraine gelang es Caritas-international-Logistiker Christian Dehmel schließlich eine Spedition zu organisieren, die noch direkt in die Ukraine fährt. Jeden Tag kommen nun ein oder zwei LKW in Münster an, werden beladen und fahren - bis unter die Decke voll mit Hilfspaketen - wieder zurück in das Kriegsgebiet.
Die Hilfe kommt an
Foto: Caritas Kiew
Inzwischen sind bereits sieben der geplanten fünfzehn Hilfslieferungen aus Münster in der Ukraine eingetroffen. Der erste LKW ging in die Region Kiew. Eine Mitarbeiterin der örtlichen Caritas schreibt eine berührende Mail: "Wir haben die Pakete erhalten und in Bucha, Irpin und Hostomel verteilt. Hier haben die Menschen zuletzt am meisten unter der russischen Belagerung gelitten. Trotz der großen Zerstörung und Plünderung dieser Städte und der Gewalt durch die Besatzungstruppen sind Tausende in ihren Häusern geblieben. Sie brauchen jetzt dringend umfassende Hilfe." Wie groß der Hilfebedarf ist, zeigen auch die Fotos, die der Mail anhängen. Selbst Kinder kommen zu den Verteilstationen der Caritas und laden die acht Kilo schweren Pakete auf die Gepäckträger ihrer kleinen Fahrräder.
Annika Beckmann, freiwillige Helferin bei der Packaktion in Münster.Foto: Hermann Köhler
Die Freiwilligen in Münster freuen sich, dass ihre Hilfe ankommt. Annika Beckmann ist Studentin und hat gerade nicht viel in der Uni zu tun. Deswegen packt sie gleich mehrere Tage infolge mit an. Die fleißige Helferin schuftet pro Tag bis zu acht Stunden an der Packstraße. Die Anstrengung ist der 23-Jährigen jedoch nicht anzusehen. Sie lacht unter ihrer Maske: „Ich habe das erste Mal seit Kriegsbeginn das Gefühl, einen kleinen Beitrag für die Menschen in der Ukraine zu leisten. Abends bin ich zwar platt, aber ich fühle mich richtig gut. Anpacken hilft gegen die Hilfslosigkeit.“
Hinter den Kulissen: Warum packt ihr mit an?
Wir danken den engagierten Freiwilligen für Ihren Einsatz.