Seniorenrechte im Fokus
Silvia Gonzalez, Koordinatorin des Seniorenprogramms Caritas international
Der Anteil der Seniorenbevölkerung nimmt weltweit zu. Dieser demographische Wandel stellt ein globales Phänomen dar und betrifft nicht nur, wie häufig angenommen, die Industrieländer. Auch die Entwicklungsländer müssen sich politisch und gesellschaftlich dieser neuen Herausforderung stellen. Verglichen mit den anderen südlichen Kontinenten erleben Lateinamerika und die Karibik einen starken und raschen Zuwachs ihrer Seniorenbevölkerung. Im Jahre 2002 wurde auf der 2. UN-Weltversammlung über Fragen des Alters in Madrid ein Aktionsplan verabschiedet, um die Lebenssituation der Seniorenbevölkerung zu verbessern.
Hierin werden die Länder aufgefordert, sozial- und gesellschaftspolitische Maßnahmen für die mehrheitlich in Armut bzw. extremer Armut lebenden alten Menschen einzuleiten. Um die Aufgaben erfüllen zu können, werden die Regierungen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Zusammenarbeit eingeladen.
Zehn Jahre danach haben die Zivilgesellschaft und die Regierungen Lateinamerikas und der Karibik im Mai 2012 internationale Konferenzen durchgeführt: die Regionalkonferenz der Zivilgesellschaft über das Altern: Madrid+10 vom Aktionsplan nach Costa Rica 2012 (6. bis 8. Mai) und die Dritte Regionale Regierungskonferenz über das Altern in Lateinamerika und der Karibik (8.bis 11. Mai), beide in Costa Rica. Hier wurden jeweils Fortschritte beraten und Mängel festgestellt.
Was leistet die Caritas?
Zwischen den Caritasverbänden Lateinamerikas und dem Deutschen Caritasverband sowie Caritas international bestehen viele Verbindungen. Die Seniorenarbeit wurde von Caritas international bereits seit den 1970er Jahren gefördert. Nach der 2. UN-Weltversammlung über das Alter blieb es nicht bei lokalen Einzelprojekten: Zum einen wurde die bis dahin bilaterale Zusammenarbeit in der Seniorenarbeit intensiviert und im Jahr 2004 mit dem Regionalprogramm Soziale Seniorenarbeit in Lateinamerika und der Karibik verbreitert.
Das Caritas-Regionalprogramm wird in den Ländern Brasilien, Chile, Kuba, Mexiko, Panama und Peru durchgeführt. Zudem ist das Lateinamerikanische Netzwerk Gerontologie Teil des Programms. Im Mai 2012 war das Caritas-Regionalprogramm Mitveranstalter der Regionalkonferenz der Zivilgesellschaft über das Altern, an der mehr als 300 Personen aus 19 Ländern teilgenommen haben - vor allem Nichtregierungsorganisationen und Seniorenverbände. Die Caritas war mit Seniorinnen und Senioren sowie den Koordinatoren/innen der Länderprogramme vertreten.
Konferenz der Zivilgesellschaft
Auf der Konferenz wurden die Themen Alter und soziale Sicherung, Alter und Gesundheit, Alter und Umwelt und Alter und soziale Teilhabe unter dem Aspekt eines Alterns in Würde und mit allen Rechten diskutiert. Ein wichtiger Fortschritt ist, dass es inzwischen in vielen Ländern für arme alte Menschen ein Sozialgeld gibt, das nicht von Beiträgen für die Rentenversicherung abhängig ist. Jedoch, so wurde deutlich, reichen die Maßnahmen nicht aus, um die Lebensbedingungen der Seniorenbevölkerung nachhaltig zu verbessern. Im Schlussdokument der Konferenz der Zivilgesellschaft zu Seniorinnenarbeit wird daher weiter eine internationale Konvention über Seniorenrechte und die Ernennung eines Sonderberichterstatters gefordert, um die politischen und sozialen Rechte der Senior/innen verbindlich abzusichern.
Die Konferenz der Zivilgesellschaft hat sich nicht darauf beschränkt, die Regierungen auf Prioritäten festzulegen und zum Handeln aufzufordern. Sie hat sich auch selber verpflichtet, weiter an dem Ziel einer Gesellschaft für alle Lebensalter mitzuwirken. Dies soll durch eine bessere Zusammenarbeit untereinander und mit den Behörden erreicht werden, aber auch, indem neue Themen aufgegriffen werden. Das Miteinander der Generationen oder die Wahrnehmung des erhöhten Pflegebedarfs gehören zu den zukunftsorientierten Aufgaben, denn schließlich gibt es immer mehr hochaltrige Menschen. Die bisherigen Anliegen, eine bessere soziale Absicherung und sozialer Teilhabe, sollen weiter verfolgt werden.
Regierungskonferenz
Die Regierungskonferenz fand in direktem Anschluss an die Konferenz der Zivilgesellschaft statt, so konnten deren Teilnehmer als Beobachter an den offiziellen Regierungsberatungen teilnehmen.
Die Themen der beiden Konferenzen waren mehr oder weniger die gleichen, die Perspektiven allerdings unterschiedlich. So sprachen die Regierungen vor allem von ihren Erfolgen, waren aber wenig konkret, wenn es darum ging, wie Herausforderungen bewältigt werden können. Immerhin sehen auch die Regierungen inzwischen die Notwendigkeit, häusliche und stationäre Pflege für alte Menschen zu organisieren oder das Miteinander der Generationen zu fördern.
Caritasverbände der Region und andere Sozialorganisationen weisen seit Jahren in den Koordinationsgremien auf diesen Bedarf hin. Bisher liegen allerdings von staatlicher Seite kaum Erfahrungen vor, und so sind zivilgesellschaftliche Organisationen aufgrund ihres Erfahrungsschatzes Impulsgeber für die Regierungen. In einem wesentlichen Punkt stimmten die Konferenz der Regierungen und der Zivilgesellschaft überein: beide fordern eine internationale Seniorenrechtskonvention und die Ernennung eines Sonderberichterstatters.
Das Schlussdokument der Regierungskonferenz (engl.) kann als Willenserklärung interpretiert werden: Die Folgen des demographischen Wandels für die Gesellschaft und für die Seniorenbevölkerung sollen im politischen Handeln beachtet werden. Einig sind sich die Länder bei der Analyse der Probleme. Ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, hängt von dem Willen der einzelnen Länder ab, denn die Erklärung ist für die Regierungen nicht bindend.
Zehn Jahre nach der 2. UN-Weltversammlung über Fragen des Alters sind Schritte auf dem Weg zu einer Gesellschaft für alle Lebensalter erfolgt. Es bleibt aber für Regierungen und Zivilgesellschaft noch viel zu tun, um dieses Ziel, dass von den Vereinten Nationalen für das Internationale Seniorenjahr (1999) definiert wurde, zu erreichen.
von Christel Wasiek, August 2012