Glühende Landschaften
von Stephan Günther
von Stephan Günther
Eine gewisse Symbolik drängt sich geradezu auf beim Rückblick auf die Waldbrände dee Jahre 2019 und 2020: Die größten und am längsten anhaltenden Feuer zerstörten Wälder im brasilianischen Amazonasgebiet, in den USA, in den arktischen Regionen Russlands und in Australien. Diese "Warnfeuer" loderten allesamt in Staaten, die zu diesem Zeitpunkt von Klimawandelskeptikern oder gar Klimawandelleugnern regiert wurden, also Staatsmännern, die den wissenschaftlich vielfach belegten globalen Klimawandel verharmlosen oder gänzlich infrage stellen.
Dabei sind die großflächigen Vegetationsbrände gleichermaßen Ursache und Folge der Klimaerwärmung. Lang anhaltende Dürren und hohe Temperaturen, wie sie der Klimawandel zur Folge hat, trocknen die Vegetation aus und lassen Brände leichter entstehen und sich schneller ausbreiten. Das durch die Feuer freigesetzte Kohlendioxid (CO2) wiederum forciert den Treibhauseffekt und damit die Klimaerwärmung. Ein Teufelskreis. Allein im Jahr 2019 sind durch Waldbrände weltweit fast sieben Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangt. Zum Vergleich: Der Ausstoß bei der Energieerzeugung beträgt jährlich rund 34 Milliarden Tonnen.
Doch die Wechselwirkungen von Klimawandel, Trockenheit und Waldbränden sind noch vielschichtiger: Weil Hitze die Zersetzung organischer Stoffe beschleunigt, setzen Waldböden in Trockenjahren zusätzlich Kohlendioxid frei. Der Amazonas-Regenwald nimmt inzwischen auch ohne Feuer in trockenen Jahren weniger CO2 auf, als er abgibt. Und aus den Permafrostböden Sibiriens, Skandinaviens und Nordamerikas werden durch Feuer und Klimaerwärmung große Mengen an Methan und Kohlenstoff freigesetzt.
Bislang nehmen Wälder ein Drittel des Kohlendioxids auf, das durch Industrie, Verkehr und Haushalte in die Luft gelangt, ein weiteres Viertel binden die Meere. So verbleibt nur knapp die Hälfte in der Atmosphäre. Ohne diesen Prozess wäre die Erde schon heute sehr viel wärmer. Doch je mehr Wälder zerstört werden, desto weniger Kohlendioxid aus der Luft können sie binden - und weniger Sauerstoff mittels Photosynthese produzieren. Weil viele Wälder zudem nicht an die sich verändernden Klimabedingungen angepasst sind, sind sie kaum noch widerstandsfähig gegenüber Dürren, Feuern, Insekten und Krankheiten. Das in Mitteleuropa zurzeit drohende großflächige Waldsterben ist eine unmittelbare Folge des Klimawandels.
Wiederaufforstung und nachhaltiges Wirtschaften
Der Waldverlust erhöht das Katastrophenrisiko weltweit. Denn Wälder speichern nicht nur Kohlendioxid, sondern auch Wasser und Nährstoffe, die aus vegetationsarmen Böden schnell ausgespült werden. Ohne den Schutz durch Vegetation kommt es häufiger zu Überschwemmungen. Und ohne Wälder fehlt ein wichtiger Wasserspeicher, die Quellen der Bäche und Flüsse versiegen sehr viel schneller. In den Einzugsgebieten der Anden und des Himalayas, beispielsweise in Peru, Bolivien sowie Nordindien und Pakistan haben sowohl Dürre- als auch Flutkatastrophen deutlich zugenommen. An ungeschützten vegetationsarmen Hängen kommt es zudem vermehrt zu Erdrutschen, die besonders Siedlungen in Hanglagen bedrohen.
Mit Kakaopflanzungen und Agroforstsystemenwird im Regenwald in Peru ein Anbausystem praktiziert, das dem Klimawandel trotzt und ein Einkommen ermöglicht.Adriana Peralta / Caritas internatinal
Aufforstungsprogramme sollen helfen, die Folgen der Erderwärmung zu bremsen und zur Katastrophenvorsorge beitragen. Das umfangreichste dieser Vorhaben ist das internationale Projekt der Great Green Wall (große grüne Wand) in der Sahel-Region. Um die Ausdehnung der Sahara zu stoppen, soll auf Initiative der Afrikanischen Union und mit Unterstützung der Weltbank, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen bis 2030 ein fast 8.000 Kilometer langer Schutzwall aus Bäumen und Sträuchern gepflanzt werden. Der Waldstreifen soll die Erosion bremsen, so das Land wieder nutzbar machen - und zudem etwa 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid binden. Laut Projektseite (greatgreenwall.org) wurden bislang 15 Prozent der Ziele umgesetzt: Im Senegal wurden mehr als zwölf Millionen Bäume gepflanzt, die gut an trockene Böden angepasst sind. Mehr als 15 Millionen Hektar Land wurden in Äthiopien renaturiert, je fünf Millionen Hektar in Nigeria und Niger.
Auch in der Katastrophenvorsorge von Caritas international sind Aufforstungen - in freilich weit bescheidenerem Umfang - eine wichtige Maßnahme zum Schutz vor Hangrutschen, Überschwemmungen und Erosion. Im Senegal (siehe Seite 28) dienen sie dem Erhalt der sensiblen Ökosysteme der Mangroven, in Indien (siehe Seite 33) dem Hochwasserschutz und in Ostafrika dem Erosionsschutz. Projekte zum Waldschutz führt die Caritas auch in Bolivien und Peru durch. In der Amazonasregion reaktivieren die Caritasmitarbeiter traditionelles Wissen über die Landwirtschaft im Wald - so genannte Agroforstwirtschaft - und schafft so Übergänge zu den Naturwäldern. Angesichts der fortschreitenden Brandrodung gerade im Amazonasgebiet können solche nachhaltigen Projekte den Wert des Waldes aufzeigen - als Wirtschaftsfaktor und für den Natur- und Klimaschutz.
Quelle: Im Fokus - Klimawandel und Humanitäre Hilfe (Seite 20-21), September 2020