War der Weltklimagipfel in Polen ein Erfolg?
Das Regelwerk legt fest, wie das Pariser Klimaschutzabkommen umgesetzt werden soll, insbesondere wie Emissionen vergleichbar berechnet werden. Und auch, wann über was nach welchen Kriterien Bericht erstattet wird. Die Klimaverschmutzung wird nun nach internationalen Standards berechnet, der Klimaschutz ebenso.
Ein Erfolg, auf den die Staatengemeinschaft stolz sein könnte, ist die Klimakonferenz damit allerdings nicht. Es ist zwar ein diplomatisches Kunststück, die Interessen aller 196 Staaten in ein Dokument zu gießen, das alle mittragen können. Nur: Kann sich die Menschheit diesen so entstandenen Minimalkonsens in Anbetracht der Klimakrise überhaupt leisten?
Hitzige Debatten und ein heißer Planet
"Harte politische Haltungen - hinter denen oft starke wirtschaftliche Interessen stehen - schwächten das Ergebnis, das nicht ausreicht, um gegenwärtige und zukünftige Generationen vor Umweltkatastrophen zu schützen”, sagt Adriana Opromolla, Referentin für Ernährungssicherheit und Klimawandel bei Caritas Internationalis. Und: "Die Delegierten der jährlichen UN-Klimakonferenz haben es versäumt, starke Verpflichtungen für notwendige Maßnahmen zur Rettung unseres Planeten einzugehen." Wie konnte es zu diesem schwachen Ergebnis kommen? Warum haben die diesjährigen Wirbelstürme, Hitzewellen und Waldbrände die Klimapolitik nicht überzeugen können?
Dabei hatte der Vorsitzende des Weltklimarates, Hoesung Lee, ein Ökonom aus Südkorea, schon in der ersten Woche der Weltklimakonferenz warnende Worte gesprochen. Er erinnerte die Delegierten an die Ergebnisse des Sonderberichtes vom Oktober: Wenn die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird, sind unvorhersehbare zerstörerische Dynamiken zu erwarten. Dann gibt es kein Zurück mehr, der Klimawandel wird zu einer unkontrollierbaren Katastrophe. Das Potsdamer Klimainstitut warnt die Regierungen gar davor, dass der Planet ohne Klimaschutz einer Heißzeit [i] entgegensteuert.
Es bleibt keine Zeit zu verlieren
Selbst die Schäden und Verluste, die bereits bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad erwartet werden, sind enorm. Daher sind in jedem Fall auch enorme Anstrengungen und ein Wandel nötig, um Städte und Gemeinden auf diese Veränderungen vorzubereiten. Es geht um das Wohl der Menschen und darum, das Ernährungssystem und die öffentliche Infrastruktur wie Straßen, Wohnungen, Energie- und Wasserversorgung anzupassen.
Während der Klimakonferenz in Polen gingen 5.000 Menschen in einem Klimamarsch auf die Straße. Ihr Ziel: die Politik zum Handeln bewegen.Martina Backes
Das gilt nicht nur für kleine Inselstaaten in Ozeanien, denen das Wasser bis zum Halse steht. Oder für ein Land wie die Niederlanden, das schon jetzt neue Deiche gegen den steigenden Meeresspiegel baut. Es gilt für alle, auch für die USA, die für Waldbrände und Hurrikans besonders anfällig sind. Und es gilt für ländliche Regionen ebenso wie für die urbanen Metropolen. Ob in Alaska, wo ganze Gemeinden den schmelzenden Gletschern weichen, oder in der Karibik, wo immer heftigere Wirbelstürme ganze Landstriche verwüsten: Die Regierungen aller Länder müssen dabei mitwirken, dass sich die Menschen besser schützen und an den Klimawandel anpassen können.
Die dennoch positive Nachricht des Weltklimarates lautet: Die Wissenschaft hält enormes technisches Wissen bereit und die Gesellschaft hat Lösungsmodelle entwickelt, um damit fertig zu werden. Sie müssen nur schleunigst angewandt und umgesetzt werden. Der Auftritt des Vorsitzenden Lee auf der Weltklimakonferenz übermittelte eine unmissverständliche Botschaft: Es ist sehr spät! Und doch: Es gibt die technischen und sozialen Kompetenzen, den Klimawandel zu begrenzen, wenn alle gemeinsam und unverzüglich an einem Strang ziehen.
Doch dieser Strang kann nicht aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner bestehen. Zu viele mächtige Akteure blockieren oder sabotieren, was dringend nötig wäre: sofortiges Handeln und praktischer Klimaschutz jetzt. Dafür muss schnell und zügig der Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft auf sozial verträgliche Weise angepackt werden. Und dazu gehört auch, Finanzmittelflüsse mit einer klimafreundlichen und emissionsarmen Entwicklung in Einklang zu bringen und Geld dafür bereitzustellen, dass die Menschen sich besser gegen die Folgen des Klimawandels schützen können.
Nüchterne Fakten und kalte Schultern
Der erste Klimagipfel tagte vor 23 Jahren in Bonn. Seither sind die Emissionen kontinuierlich gestiegen. Bereits jetzt ist das Klima um ein Grad wärmer geworden als vor der industriellen Zeit[i].
Das, worüber auf den jährlichen Weltklimakonferenzen verhandelt wird, ist noch nicht erreicht worden: Das Klima und damit die Lebensgrundlagen der Menschen zu schützen und die Erderwärmung, die schon jetzt desaströse Folgen vor allem für die Menschen im Globalen Süden aufweist, auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Wichtige Bereiche wie Regeln zum CO2-Zertifikatehandel, bei denen es vor allem um den Beitrag des Flugverkehrs zum Klimawandel geht, wurden vertagt. Höhere Klimaschutzziele und weniger klimaschädliche Gase vor 2020 wären die notwendige praktische Antwort auf die Klimaerwärmung, doch dazu konnten sich die Staaten nicht durchringen. Eine ungeschminkte Bilanz der bisherigen Anstrengungen zum CO2-Sparen durch die Staaten zeigt: Bisher gibt es keine wirksamen Verpflichtungen gegen die steigende Fieberkurve des Klimas.
In Polen bremsten immer wieder Staaten wie Saudi-Arabien, die USA und Russland den Verhandlungserfolg, denn sie waren angereist, um die heimische Öl-, Gas- und Kohleindustrie zu schützen. Der gemeinsame Nenner, auf den sich die Staaten nun einigten, ist vor allem wegen der Sabotage dieser "Fossilstaaten” so klein geworden. Doch auch wichtige Akteure wie die EU oder Deutschland haben nicht jene Vorreiterrolle eingenommen, die mehr Vertrauen hätte schaffen können. Die kleinen Trippelschritte signalisieren: Zögern. Doch zögern die Einen, verlässt die Anderen der Mut, aus Angst, wirtschaftlich abgehängt zu werden. Dabei ist klar, dass die Kosten für die Klimafolgen ins Unermessliche steigen werden. Alles, was jetzt unterlassen wird, kommt am Ende alle teuer zu stehen. Die Schwächsten bezahlen gar mit ihrem Leben.
Es braucht Mut und Vorreiter
Was bedeutet es, wenn die Staatengemeinschaft selbst in einem Jahr voller Klimakatastrophen wie 2018 nicht bereit ist, das nötige Vertrauen aufzubauen und konkrete und sofortige Verpflichtungen zum Klimaschutz einzugehen? Wenn Regierungen lediglich Regeln über eine Berichterstattung vereinbaren, aber faktisch das Klima weiter verheizen? Regeln für den Klimaschutz sind wichtig, doch dem Klima ist damit allein noch nicht geholfen. Umso mehr rechnen Hilfswerke wie Caritas international damit, dass auch in den kommenden Jahren die humanitären Katastrophen, die durch die Erderwärmung mitverursacht werden, einen enormen Aufwand in der humanitären Hilfe erfordern. Zum einen, um Menschen besser gegen die Erderwärmung und deren Folgen zu wappnen. Zum anderen, weil trotz Vorsorge immer mehr Schäden und Verluste vor allem die Ärmsten treffen, die keine Kraft mehr haben, ihre Ernährung und ihre Existenz aus eigenen Mitteln zu sichern.
Erneuerbare Ressource: Guter Wille für aktiven Klimaschutz?
Der US-amerikanische Politiker und Umweltschützer Al Gore, dessen Auftritte in Katowice für volle Säle sorgten, hat einen entscheidenden Appell an die diesjährige klimadiplomatische Runde gerichtet: Politischer Wille ist eine erneuerbare menschliche Ressource. Um keine Chance zu verpassen, diese erneuerbare Ressource zum Wohle aller Menschen einzusetzen, ist es wichtig, dass auch die kommenden Klimakonferenzen nach allen Kräften genutzt werden, um das Ruder herumzureißen und gewissenhaft im Sinne einer sozial gerechten Transformation zu steuern. Sodass auch die künftigen Generationen das Gemeinsame Haus in Würde bewohnen können.
Gebraucht werden Klimainitiativen jenseits der Vorgaben der Klimakonferenzen. "Wenn wir ausschließlich auf dieses Format setzen, sind wir verloren", so die Meinung vieler Initiativen und Engagierter, die sich während der Klimakonferenz im Climate Action Hub in vielfältiger Weise für aktiven Klimaschutz stark machten.
Martina Backes 18.12.2018