Beinahe die ganze Welt kämpft gegen die Ausbreitung der Covid-19-Erkrankung. Mittlerweile haben sich weltweit über 110 Millionen Menschen mit dem neuartigen Virus infiziert, knapp 2,5 Millionen sind an der Lungenkrankheit gestorben. Bei diesem Kampf vergessen viele, dass die Pandemie für viele Menschen eine Krise in der Krise ist. Gerade Geflüchtete und Vertriebene, die in Camps leben, brauchen dringend unsere Unterstützung.
79,5 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht. Mehrere Millionen leben unter besonders schwierigen Verhältnissen in Flüchtlingslagern, wo Hygienestandards kaum gewährleistet und Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können. Dabei können wir die Menschen mit einfachen Maßnahmen vor einer Infektion mit dem neuartigen Virus schützen und ihre Situation verbessern. Caritas international hat bereits eine Vielzahl sogenannter Corona-Maßnahmen in den Projektländern gestartet, um Menschen auf der Flucht in der jetzigen Situation schnell zu helfen – unter anderem in Bangladesch, im Südsudan und auf den griechischen Inseln Lesbos und Chios.
Corona-Infizierte könnten kaum mit Hilfe rechnen
Der seit Jahren tobende Bürgerkrieg im Südsudan und seine Folgen für die Bevölkerung schaffen es nur selten in die deutsche Öffentlichkeit. Doch der Krieg hat sich mittlerweile zu einer der weltweit größten humanitären Krisen entwickelt. Rund zwei Millionen Geflüchtete leben im Südsudan. Über 1,6 Millionen davon sind Vertriebene im eigenen Land – also „binnenvertrieben“.
Ein ganzes Land ist auf der Flucht: Von den zwölf Millionen Einwohnern des Südsudans ist schätzungsweise jeder Dritte, also vier Millionen, auf der Flucht. Viele sind in Nachbarländer geflohen, doch 1,6 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land. Insgesamt 7,5 Millionen Menschen sind im Südsudan auf Hilfe angewiesen. Viele Flüchtlinge und Binnenvertriebene suchen in großen Vertriebenenlagern Schutz. Doch hier leben sie beengt, Seite an Seite mit Tausenden, die ihr Schicksal teilen. Wenn sie sich mit Covid-19 infizieren, können sie kaum mit Hilfe rechnen. Denn Intensivbetten oder gar Beatmungsgeräte gibt es so gut wie keine im Land. Die unzuverlässige Stromversorgung würde eine solche Behandlung ohnehin unmöglich machen. Es ist daher oberstes Gebot, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Doch damit werden auch die letzten Einkommensmöglichkeiten der Menschen – meistens der Verkauf von kleineren Waren oder Dienstleistungen – unterbunden. Bereits bestehende Hilfen wie die Verteilung von Nahrungsmitteln oder medizinische Versorgung werden damit umso wichtiger.
Drei Krisen zur gleichen Zeit: Krieg, Hunger und Corona
Am 2. April 2020 wurde der erste offizielle Fall von Covid-19 im Südsudan bekannt. Die Regierung reagierte schnell. Sie bildete eine „High-Level-Task-Force“ und verhängte weiträumige Ausgangssperren. Das Land wurde abgeriegelt. Offiziell stiegen die Fallzahlen nur langsam. Bei einer Testkapazität von nur zehn Tests pro Tag dürfte es aber eine hohe Dunkelziffer geben. Die Südsudanesinnen und Südsudanesen, insbesondere jene, die auf der Flucht sind, müssen nun mit drei Krisen gleichzeitig fertig werden: 1) Die Auswirkungen des nur langsam ausklingenden Bürgerkriegs. 2) Der Hunger infolge des extremen Klimas während des vergangenen Jahres – auf eine lange Dürre folgte im November 2019 eine Flut. Die drohende Heuschreckenplage könnte die Hungersnot weiter verschärfen. 3) Und nun die Covid-19-Pandemie, welche die Menschen direkt und indirekt bedroht.
Caritas erreicht 20.000 Menschen mit Corona-Hilfe
Die Caritas reagierte schnellstmöglich auf den Lockdown, der viele Familien in die existenzielle Not stürzen kann. Nahrungsmittel wie Maismehl, Weizen, Linsen, Öl und Salz sowie Trinkwasser werden verteilt. Außerdem geben die lokalen Partner von Caritas international Desinfektionsmittel, Flüssigseife, Handschuhe und Gesichtsmasken an die Bevölkerung. Mit Hilfe von Postern, Lautsprecherdurchsagen und Informationsflyern wird über die Pandemie informiert. Dazu wurden mehrere mobile Aufklärungsteams ausgebildet, die zu den Menschen gehen, um sie über das Virus und seine Verbreitung aufzuklären. An strategisch günstigen Stellen werden Handwascheinrichtungen aufgebaut, die über Wasserhahn, Seife und Desinfektionsmittel verfügen. Mehrere hundert solcher Stationen wurden bereits errichtet.
Insgesamt erreichen die Corona-Hilfen der Caritas im Südsudan über 20.000 Menschen. Viele von ihnen leben als Binnenvertriebene innerhalb der großen UN-Camps in Juba. Hier werden sie unterstützt von den DMI-Sisters (den Schwestern der Unbefleckten Jungfrau Maria), einer langjährigen Partnerorganisation von Caritas international.
Coronavirus als Damoklesschwert
Sie sind seit Jahren unterwegs, haben teilweise Schreckliches erlebt: Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos. Das berüchtigte Elendslager Moria brannte im Herbst 2020 nieder. Die meisten Betroffenen leben nun unter katastrophalen Bedingungen in einem anderen Lager. Die Bedrohung durch Covid-19 hängt dabei wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen.
Aus dem abgebrannten Lager Moria sind die meisten Geflüchteten in ein neues Lager umgesiedelt worden. Die Lebensbedingungen der Menschen haben sich jedoch nicht verbessert. Dieses Mädchen wurde in Moria fotografiert, wenige Wochen bevor das Lager vollständig abbrannte.Foto: Alea Horst
Die meisten Geflüchteten auf der griechischen Insel Lesbos haben bereits eine Odyssee hinter sich. Geflohen sind sie aus Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt – die meisten aus Syrien, Afghanistan oder Pakistan. Viele von ihnen kamen zu Fuß und sind seit Jahren unterwegs. In Europa seien sie endlich in Sicherheit, dachten sie. Dann landeten sie im mittlerweile abgebrannten Flüchtlingscamp Moria. Die dortigen Bedingungen waren katastrophal, die Menschen lebten dicht an dicht unter schlechten hygienischen Bedingungen, viele unter ihnen krank oder geschwächt. Hilfsorganisationen warnten vom ersten Tag an, welch fatale Auswirkungen ein Corona-Ausbruch in dem Lager hätte.
Im Herbst 2020 brannte Moria komplett nieder. Und die ungewisse Reise setzte sich für die Geflüchteten fort. Viele kamen in ein Lager an der Küste. Doch das eilig errichtete Zeltlager namens RIC stellt kaum eine Verbesserung dar. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser ist nicht gewährleistet, es fehlt an Duschen und Toiletten. Da das Camp direkt an der Küste gebaut wurde, sind die Menschen Sturm und Regen schutzlos ausgeliefert. Immer wieder kommt es zu Überschwemmungen. Und obgleich die Geflüchteten ohnehin so viele Sorgen und Nöte haben, schwebt noch immer die Gefahr der Corona-Pandemie wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen.
Präventive Corona-Hilfe hat längst begonnen
Schutz und Privatsphäre gibt es für die Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos nicht. Das neu errichtete Flüchtlingscamp bietet zudem weder ausreichend Duschen noch Toiletten. Die Lebensbedingungen könnten sich im Winter weiter verschlechtern. Es gilt, schnellstmöglich zu handeln und eine langfristige Lösung zu finden. (Symbolfoto aus dem ehemaligen Camp Moria)Foto: Alea Horst
Die humanitären Helferinnen und Helfer der Caritas Griechenland, mit denen Caritas international eng zusammenarbeitet, setzen alles daran, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Sie verteilen im Lager unter anderem Hygieneartikel wie Seife. Besonders geschätzt wird von erkrankten Geflüchteten außerdem, dass Mitarbeitende der Caritas Griechenland zwischen den Geflüchteten und dem medizinischen Personal dolmetschen. Dieser Service ist unabdingbar für die Gesundheit vieler Geflüchteter, eine gute Anamnese könnte sonst nicht stattfinden. Neben der präventiven Corona-Hilfe setzt die lokale Partnerorganisation bisherige Unterstützungsleistungen fort. Die Mitarbeitenden verteilen beispielsweise rezeptfreie Medikamente, Kleidung und Lebensmittel.
Geflüchtete an einen sicheren Ort bringen
Bereits vor Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie wies die Gesundheitsversorgung in den griechischen Flüchtlingslagern eklatante Lücken auf. Dabei sind die meisten Geflüchteten, insbesondere Kinder und ältere Menschen, durch die oft lebensgefährliche Flucht und den langen Aufenthalt im Lager ohnehin gesundheitlich stark geschwächt. Viele Bewohnerinnen und Bewohner berichten, dass sie kaum Ruhe finden, um ihre traumatischen Erlebnisse zu bewältigen. „Würde Covid-19 nun in den griechischen Camps ausbrechen“, so Gernot Krauß von Caritas international, „wäre es nicht mehr möglich, die Basisgesundheitsversorgung zu gewährleisten. Die Menschen könnten dann an Krankheiten sterben, die unter normalen Umständen einfach zu behandeln wären“. Daher fordert Caritas international immer wieder, die Geflüchteten an einen sicheren Ort zu bringen. An einen Ort, an dem sie die notwendigen Hygienestandards einhalten können.
So hilft die Caritas Geflüchteten in Griechenland
Corona-Ausbruch im größten Flüchtlingslager der Welt
Wer im Jahr 2020 an Flüchtlinge denkt, dem kommen als ersten die Syrerinnen und Syrer in den Sinn, die seit dem Ausbruch des Kriegs 2011 anderswo Frieden und Sicherheit suchen.
Die Wenigsten wissen, dass das größte Flüchtlingslager der Welt im Distrikt Cox´s Bazaar in Bangladesch zu finden ist. Im Camp Kutupalong leben rund 640.000 Rohingya, die aus Myanmar geflohen sind. Dort wohnen sie dicht an dicht in einfachen Hütten oder Bambusverschlägen. Der notwendige Mindestabstand von anderthalb Metern zu anderen Menschen ist kaum einzuhalten. Hinzu kommen die katastrophalen hygienischen Bedingungen im Lager. So bietet sich ein perfekter Nährboden für eine rasend schnelle Ausbreitung von Corona.
Zu allem Überfluss hat in Bangladesch inzwischen auch die Regenzeit eingesetzt. Die Überschwemmungen machen es praktisch unmöglich, die notwendigen Hygiene-Vorschriften zum Schutz gegen Corona einzuhalten.Caritas Bangladesch
Lage verschärft sich zunehmend
In Bangladesch haben sich insgesamt über 170.000 Menschen mit dem neuartigen Virus infiziert. Damit gehört das Land zu den 20 Hotspots der weltweiten Pandemie. Im Distrikt Cox´s Bazaar wurden bisher knapp 3.000 Covid-19-Infektionen gemeldet. Im Flüchtlingscamp Kutupalong bestätigten Helferinnen und Helfer vor Ort Mitte Mai 2020 die ersten Infizierten – mittlerweile ist die Zahl der erkrankten Flüchtlinge auf über 50 gestiegen. Zudem mussten sich 15.000 Rohingya in Quarantäne begeben und die Behörden von Bangladesch richteten gemeinsam mit UN-Organisationen sieben Isolierzentren im Camp ein. Dort können insgesamt 700 Infizierte behandelt werden.
Die Bezirksregierung von Cox´s Bazaar verschärfte aufgrund der aktuellen Entwicklungen die geltenden Ausgangsbeschränkungen und erklärte die gesamte Region zur Roten Zone. So sind im Distrikt alle gesellschaftlichen, politischen und familiären Versammlungen verboten. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. Mit Ausnahme von Drogerien müssen alle Geschäfte, Basare und Märkte geschlossen bleiben. Lebensmittelgeschäfte und –märkte dürfen lediglich donnerstags und sonntags öffnen. Humanitäre Helferinnen und Helfer benötigen für ihre Transporte von Hilfsgütern Sondergenehmigungen. Zudem dürfen immer weniger von ihnen ins Camp hinein, um Hilfe zu leisten. Die Verteilung von Hilfsgütern ist an öffentlichen Plätzen bis auf weiteres verboten.
Misstrauen und Aberglaube erschweren die Corona-Hilfe
Christin Mothsche arbeitet als Projektkoordinatorin für Caritas international in Bangladesch. Zurzeit befindet sich die 31-Jährige Bangladesch-Expertin, wie viele andere ihrer Kolleginnen und Kollegen, in ihrem Homeoffice in Deutschland. Von dort aus koordiniert und plant sie mit ihrem Vor-Ort-Team die Corona-Hilfe im Flüchtlingscamp. Die Helferinnen und Helfer errichteten beispielsweise an vielen Stellen im Lager Handwaschstationen und klären die Bevölkerung über das neuartige Virus und Schutzmöglichkeiten auf. Doch diese Aufklärungsarbeit wird zusätzlich zu den bestehenden Beschränkungen auch durch das große Misstrauen der Rohingya erschwert. „Wir machen uns Sorgen, dass die Familien Infizierte eher verstecken als sie Humanitären Helfern zu melden“, sagt Mothsche dazu. „Viele haben Angst, dass sie erkrankte Familienmitglieder nach einem Transport ins Krankenhaus nie wieder sehen.“ Manche würden sogar befürchten, im Krankenhaus getötet zu werden.
Diese Angst komme nicht von ungefähr, erklärt Christin Mothsche: „Bestehende Konflikte und Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen spitzen sich in der derzeitigen Krise zu. Zudem werden die Rohingya von vielen Bangladeschi beschuldigt, das Virus mit ins Land gebracht zu haben“. Neben dem bestehenden Misstrauen und vorhandenen Sprachbarrieren kommt religiöser Aberglaube erschwerend hinzu. Beispielsweise halten manche Camp-Bewohner Covid-19 für eine Strafe Gottes. Aus diesem Grund binden Christin Mothsche und ihre Kolleginnen und Kollegen geistliche Oberhäupter in ihre Aufklärungsarbeit ein. „So können wir die Menschen einfach schneller erreichen“, sagt Mothsche. Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es jedoch auch erste Erfolge. So erreichten die Partner von Caritas international mit ihren Hilfen bereits über 100.000 Menschen im Distrikt Cox´s Bazaar unter anderem mit Informationen zu wirkungsvollen Schutzmaßnahmen, zusätzliche Quarantänestationen und das reparieren von Trinkwasserbrunnen sowie Latrinen.