"Niemals hätte ich erwartet, wieder gesund zu werden."
Weinen, das kommt für einen Mann in Sierra Leone eigentlich niemals in Frage. Doch Hassan Thray, ein großer, kräftiger Mann von gut 40 Jahren, kann seine Tränen nicht aufhalten. Er unterbricht seinen Bericht aus der schlimmen Zeit, als der Ebola-Virus sein Land im Griff hatte. Hassan Thray hat die Epidemie überlebt. Ebola-Surviver, also Ebola Überlebender: Das ist in Sierra Leone seit 2014 ein fester Begriff. "Niemals hätte ich erwartet, wieder gesund zu werden, als man mir sagte, es ist Ebola", erzählt Herr Thray und geht dann tiefer in die Details seiner Geschichte: "Neun Tage musste ich auf mein Testergebnis warten, es war der reinste Horror. Überall um mich herum starben Menschen. Dann haben sie mich in ein Zimmer verlegt, in dem ich dreißig Tage behandelt wurde. Am 11. Oktober 2014 wurde ich geheilt entlassen", berichtet er.
Schmerzhafte Erinnerung an die Zeit der Ebola Epidemie
Es ist weniger seine eigene Infektion, sondern es sind die grausamen Verluste, die ihn zum Weinen bringen. Er verlor 22 Familienmitglieder, darunter drei eigene Kinder, damals im Alter von zehn, vier und drei Jahren. Heute zieht er mit seiner Frau vier Kinder groß, die jetzt neun, acht, sieben und vier Jahre jung sind. "Mein siebenjähriger Sohn war damals auch Ebola-infiziert, er hat tatsächlich überlebt, damals als dreijähriges Kind", berichtet er.
Das Erdnussfeld, in dem er steht, während er sich erinnert, hat er mit Saatgut von der Caritas gepflanzt. Hassan Tray war vor Ebola kein Farmer gewesen. Er fuhr Lastwagen für einen indischen Unternehmer, der mit Baumaterialien handelte. "Als ich geheilt zu ihm kam, um meine Arbeit wieder aufzunehmen, teilte er mir mit, dass er mich nicht weiterbeschäftigen wollte. Aus Angst vor einer Ansteckung. Also musste ich etwas Neues anfangen", fährt er fort und lässt seinen Blick über das Erdnussfeld schweifen.
Soziale Vereinsamung als Folge der Angst der anderen
So wie ihm ging fast allen Überlebenden des Virus. Sie wurden gemieden. Es dauerte für sie gefühlt eine Ewigkeit bis klar war, dass von den Überlebenden keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Jahre, in denen sie ihre Jobs verloren und die meisten auch ihrer sozialen Kontakte. "Es kam niemand mehr von meiner Familie zu mir. Das hat mich schwer getroffen und noch heute fällt es mir schwer, das zu vergessen", erinnert sich Herr Thray fort und lässt seinen Blick über das Erdnussfeld schweifen.
Selbsthilfegruppe für Ebola-Überlebende
Dabei lässt er nicht nur Feldfrüchte gedeihen. Als Vorsitzender der Regionalgruppe Freetown Western Rural ist er sehr aktiv bei der "Sierra Leone Association of Ebola Survivors" und organisiert die Treffen der 850 Mitglieder aus seiner Region. "Wir brauchen uns und veranstalten zweimal im Monat ein Treffen. Hier sprechen wir über alles, was uns betrifft. Es versteht uns keiner so gut, wie wir uns selbst. Ich kann nicht einfach so weiter machen, wie vorher. Zu vieles hat sich verändert. Da tut es gut, auch andere zu hören", erklärt Herr Thray und wirkt froh und zuversichtlich. Die Tränen sind mittlerweile getrocknet.
Jörg Schaper, November 2018