„Wir alle träumen von Frieden in Afghanistan“
Wie hat sich Ihre Hilfe im Laufe der Zeit verändert?
Salma: Früher haben die Mütter zu Hause entbunden. Sie haben ihre Kinder nicht im Krankenhaus zur Welt gebracht. Es gab keinen Arzt, keine Hebamme und keine Gesundheitsdienste. Was zur Folge hatte, dass immer wieder entweder das Kind oder die Mutter starben. Seit wir unsere Hilfe leisten, ist die Kinder- und Müttersterblichkeit zurückgegangen. Wir sprechen mit ihnen darüber, wann sie entbinden und ob sie ihr Baby im Krankenhaus zur Welt bringen sollten. Außerdem klären wir sie über wichtige Impfungen auf. Manchmal bringen wir sie auch mit unserem eigenen Auto zur Klinik, wenn sie kein Geld für ein Taxi haben.
Uns beschäftigt auch das Thema Kinderheirat. Minderjährige Mädchen wurden an Ehemänner übergeben. Früher war das in dieser Gegend sehr verbreitet. Wir haben mit den Familien gesprochen und sie aufgeklärt, dass sie ihre Töchter erst verheiraten sollten, wenn sie über 18 Jahre alt sind. Das hat sich inzwischen sehr verbessert und wird auch kulturell akzeptiert.
Außerdem kümmern wir uns darum, dass die Kinder zur Schule gehen. Die meisten Kinder waren Analphabeten. Sie bekommen nun Bücher, Hefte und andere Materialien und werden zur Schule geschickt.
Welchen Einfluss hat die Machtübernahme der Taliban auf die Bedürfnisse und Probleme von Frauen und Kindern?
Vorher konnten Kinder problemlos zur Schule gehen und Frauen waren erwerbstätig. Seit die Taliban unser Land kontrollieren, sind die meisten Frauen wieder arbeitslos. Es gibt keine Schule, keine Ausbildung. Früher gingen die meisten Frauen in Haushalte, um dort Wäsche zu waschen oder zu putzen. Jetzt gibt es nichts mehr zu tun. Alles wurde eingestellt - Bildung, Arbeit, Spenden für bedürftige Menschen.
Woraus schöpfen Sie persönlich Kraft?
Unsere Arbeit gibt uns Zuversicht und den Mut, weiterzumachen. Derzeit leben wir in einer Kriegssituation. Natürlich gibt es eine Menge Probleme und Herausforderungen. Aber wenn ich zu meinen Patientinnen komme, sie behandle und am nächsten Tag sehe, dass es ihnen besser geht und sie glücklich sind, dann gibt mir das sehr viel Selbstvertrauen. Ich sage immer: Das ist mein Beruf, das ist meine Pflicht und ich muss sie erfüllen. Ich bin sehr stolz auf meine Arbeit.
Gab es auch Situationen und Geschichten, die schwer zu verkraften waren?
Als die Taliban an die Macht kamen, dachte ich zunächst, ich würde alles verlieren, was ich habe, vor allem meinen Job und mein Gehalt. Denn ich bin die einzige Ernährerin meiner Familie. Mein Mann und meine Kinder sind arbeitslos. Ich war sehr enttäuscht, als ich den Lärm der Flugzeuge in der Luft hörte. Die Menschen flüchteten und verließen das Land. All das hat mich gestresst und traurig gemacht, und ich wurde sogar krank. Ich war mehr als einen Monat lang von der Arbeit freigestellt und nur zuhause. Ich dachte, ich könnte nicht zurück an meinen Arbeitsplatz. Jetzt gehen wir zwar mit Einschränkungen und weniger Freiheiten zur Arbeit, aber wir kommen damit zurecht.
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft - persönlich und in Bezug auf Afghanistan als Ganzes?
Frieden, natürlich. Wir alle träumen von Frieden in Afghanistan. Sicherheit, Stabilität und eine humanitäre Regierung, die unserem Volk beisteht und dient. Das ist unser einziger Wunsch. Wir wollen eine Regierung, unter der wir unabhängig, sicher und gesund leben können. Auch um Hilfe für unsere bedürftigen Patient_innen leisten zu können.
*Nachname aus Sicherheitsgründen weggelassen