Kambodscha: Geschichte und Gegenwart
Bis heute kämpft Kambodscha - halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland - mit der Bewältigung seiner jüngeren, grausamen Vergangenheit. In fünf Jahren Bürgerkrieg erkämpften sich die kommunistischen Roten Khmer 1975 unter ihrem Anführer Pol Pot die Macht und errichteten ein unvorstellbar grausames Terrorregime. Bis 1979 kamen aus einer Bevölkerung von damals zirka sieben Millionen Menschen mindestens 1,4 Millionen Kambodschaner/innen ums Leben. Schätzungen gehen sogar bis zu 2,2 Millionen. Vor allem Intellektuelle und jene, die den Roten Khmer nutzlos oder schädlich erschien, wie z.B. Menschen mit Behinderungen, wurden Opfer der Folterungen und Tötungen. Als Intellektueller galt in diesem steinzeitlichen Agrarkommunismus bereits jeder, der eine Brille trug und lesen und schreiben konnte.
Nach dem Sturz des Pol Pot Regimes im Januar 1979 durch den Einmarsch vietnamesischer Truppen gingen die Roten Khmer wieder in den Untergrund, von wo aus sie den Bürgerkrieg fortsetzten. Machtkämpfe innerhalb der Roten Khmer führten 1997 zum endgültigen Sturz von Pol Pot. Von einem Volkstribunal wurde er in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Vermutlich beging er 1998 Selbstmord, als er erfuhr, dass er an die USA ausgeliefert werden sollte.
Die kambodschanische Nationalversammlung ratifizierte im Oktober 2004 ein Abkommen mit den Vereinten Nationen zur Einrichtung eines Rote-Khmer-Tribunals, das erst nach Klärung der Finanzierung des Tribunals und der Frage der internationalen Zusammensetzung der Richter im Februar 2009 mit dem ersten Prozess gegen Verantwortliche des Rote-Khmer-Terrors eröffnet werden konnte.
Traumatische Erfahrungen - kollektive Last, individuelles Leid
Die traumatischen Erfahrungen des Krieges und des Terrors haben in der kambodschanischen Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen: Viele gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen wurden zerstört und ein hohes Gewaltpotential prägt die menschlichen Beziehungen. Ein Menschenleben ist nicht viel wert - das scheint die gefährliche Lehre und grausame Erfahrung aus den Dekaden des Krieges zu sein. Frauen- und Kinderhandel gehören zum "normalen" Geschäft, aber auch häusliche Gewalt bestimmt den Alltag und wird staatlicherseits kaum verfolgt noch geahndet.
Armut erhöht das Risiko
Aufgrund seiner Vergangenheit gehört Kambodscha heute zu den ärmsten Ländern Asiens. Mehr als 40 Prozent der knapp 15 Millionen Einwohner/innen lebt mit weniger als einem US-Dollar pro Tag unter der Armutsgrenze. Die Kindersterblichkeit liegt bei 5,7 Prozent, die Analphabeten-Rate bei 26 Prozent. Ein Drittel der Bevölkerung ist unter 14 Jahren. 36 Prozent der Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt. In einer solchen Umgebung haben es sozial benachteiligte Kinder im täglichen Kampf ums Überleben noch schwerer. Dazu gehören Aidswaisen, Kinder, deren Eltern an Aids gestorben sind oder erkrankten.
Die erste Erkrankung an Aids wurde im Jahr 1993 diagnostiziert. Der Virus hatte sich ausgebreitet, nachdem UN-Truppen, die die vietnamesische Besatzung ablösten, in Kambodscha stationiert waren. Die Öffnung für den Tourismus tat sein Übriges zum alarmierenden Anstieg der HIV Infektionen: Tempelanlagen wie Angkor Wat in der Provinz Siem Reap ziehen jährlich über 400.000 Besucher/innen an - 22 Prozent von ihnen tragen dazu bei, dass das Geschäft mit dem Sextourismus floriert. Inzwischen macht das Land in diesem Wirtschaftszweig dem Nachbarn Thailand traurige Konkurrenz.
Die sozialen Zerrüttungen der Gesellschaft und der nicht geächtete Frauen- und Kinderhandel bergen die Gefahr einer weiteren raschen Verbreitung von Infektionen.
Die Caritas Kambodscha, Partner von Caritas international in der Aidshilfe, wurde 1970 zur Linderung der Not der Bevölkerung gegründet, die unter dem sich auf Kambodscha ausweitenden Vietnamkrieg litt. Als 1975 der Genozid durch die Roten Khmer begann, waren die Mitarbeiter/innen der Caritas gezwungen, das Land zu verlassen. Nach dem Ende des Terrorregimes 1979 und dem Abzug der vietnamesischen Truppen 1989 nahm die Caritas Kambodscha ihre Arbeit im Jahr 1990 wieder auf.
Februar 2015