"Rund um die Uhr geschuftet"
Herr Olzem, Ihre Pflegestation in der Innenstadt von Bad Münstereifel wurde fast bis obenhin von den Wassermassen geflutet. Wie geht es Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen knapp zwei Wochen danach?
Bis jetzt haben wir fast rund um die Uhr geschuftet, Schlamm geschippt, Müll entsorgt, gleichzeitig versucht natürlich die Pflege am Laufen zu halten, kurz wir haben alle einfach nur funktioniert. Erst jetzt kommt die Zeit, wo man auch mal ins Nachdenken kommt. Gestern habe ich mich zum ersten Mal wieder mit drei Mitarbeitern getroffen, mit denen ich von der Zentrale die Pflege koordiniere. Am Anfang saßen wir nur da und haben minutenlang kein einziges Wort gesprochen.
Konnten Sie aus Ihrer Pflegestation irgendwas retten?
Zum Glück unsere Patientenschlüssel, die Fahrzeugpapiere unserer 15 Autos, wobei jetzt haben wir ja nur noch 14, eines ist abgesoffen, Handschuhe konnten wir noch retten, alles andere ist weg. Der Ordner mit den Patientenakten wurde einfach weggespült, genauso unser schöner roter Sessel, der im Eingangsbereich stand.
Leiter Guido Olzem vor der zerstörten Caritas-Pflegestation in Bad Münstereifel. Foto: Marijn Fidder / Caritas international
Wie konnten Sie unter diesen Umständen die Pflege aufrechterhalten?
Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich, und das kann ich allen gar nicht hoch genug anrechnen, so schnell es nur ging selbst organisiert. Eine Kollegin, bei der das Festnetz noch funktioniert hat, organisierte vieles von Ihrem Zuhause aus, der Rest ging über WhatsApp. Bis heute fahren viele der Kollegen Doppeldienste und leisten wirklich Außergewöhnliches. Die Versorgung unserer Patienten muss ja weitergehen, Katastrophe hin oder her.
Konnten Sie denn schnell genug herausfinden, wo sie Ihre Patienten erreichen?
Ja, das haben wir geschafft. Wir betreuen zwischen 150 und 180 Pflegebedürftige, rund 30 davon sind momentan bei Verwandten und Bekannten in weiter entfernten Regionen untergekommen, bei zwei bis drei wissen wir leider bis heute nicht, wo sie sind und einer unserer Patienten ist leider in seinem Auto ums Leben gekommen.
Inwiefern beeinflussen diese tragischen Erlebnisse Ihre Arbeit?
Wir merken, dass unsere Patienten verstärkten Redebedarf haben, dass jemand da ist und ihnen zuhört, das Erlebte mit ihnen teilt. Unsere Touren dauern derzeit deshalb länger. Im Moment ist das aber egal, wenn es mal länger dauert.
Kümmert sich auch jemand um Ihre Kolleginnen und Kollegen?
Ja, die Caritas Bonn wird in die Region Euskirchen ein Team von Psychologen schicken. Das Angebot ist also da. Wichtig ist mir aber auch, dass die Mitarbeitenden, die schon lange für die kommenden Wochen ihren Urlaub geplant haben, diesen auch nehmen können. Auch wenn viele das gar nicht wollen, ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass man sich die Auszeit nehmen darf. Einige unserer Mitarbeitenden sind ja auch persönlich von der Katastrophe betroffen.
Wissen Sie schon, wann Sie wieder in Ihre Pflegestation zurückkehren können?
Ganz ehrlich, nein. Momentan sind wir in einem kleinen Raum im Haus Sonne des Paritätischen Wohlfahrtverbandes untergekommen. So oder so, was die Station anbelangt werden wir wieder bei Null anfangen müssen. Das Wichtigste aber ist, dass wir uns weiter um unsere Patienten kümmern. Alles andere findet sich hoffentlich schon.
Das Interview führte Sven Recker