Caritas international stellt sich ebenso wie die anderen kirchlichen Hilfswerke darauf ein, dass die Hilfe im Mittleren Osten in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern vor Ort längerfristig fortgeführt werden muss. Neben der Nothilfe muss es zunehmend darum gehen, die psycho-soziale Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Dies betrifft auch die Mitarbeitenden in den Projekten der Hilfswerke selbst. Denn fünf Jahre Krieg in Syrien, Vertreibung, Hunger und Elend machen auch den Helferinnen und Helfern zu schaffen. Die Belastungen für die Mitarbeitenden sind gewaltig, zumal viele von ihnen selbst unter dem Mangel an Wohnraum oder medizinischer Infrastruktur leiden.
Das Engagement der katholischen Kirche
Neben dem Deutschen Caritasverband mit seinem Hilfswerk Caritas international, das innerhalb der katholischen Kirche das Mandat für die Not- und Katastrophenhilfe hat, sind derzeit Misereor, Malteser International, Missio und das Kindermissionswerk in Syrien und den Nachbarstaaten tätig. Gemeinsam haben sie im Jahr 2015 mehr als 40 Millionen Euro für Flüchtlingsprojekte in den Krisenregionen aufgewendet. Rund 21,5 Millionen Euro kamen allein von Caritas international. Die Caritas leistet Nothilfe für die Kriegsopfer und Flüchtlinge in Form von Lebensmittelgutscheinen, Hygieneartikeln und Medikamenten und stellt Zelte, Unterkünfte, Matratzen, Decken und Mietbeihilfen zur Verfügung. Darüber hinaus leistet sie medizinische sowie psychosoziale Hilfen und ermöglicht geflohenen Familien den Schulbesuch oder die Integration in das Arbeitsleben.
Über die Hilfen der Caritas hinaus unterstützen die katholischen Hilfswerke Projekte zur Trauma-Therapie und zur Ausbildung von ehrenamtlichen Friedensfachkräften, Katechese- und Pastoralprogramme, Notreparaturen kirchlicher Gebäude sowie Unterhaltsbeihilfen für Priester.
Die Deutsche Bischofskonferenz fördert diese Arbeit finanziell, zugleich erhalten die Hilfswerke Zuwendungen durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Spenden.
Hilfe in Deutschland
Auch innerhalb Deutschlands setzt sich die katholische Kirche mit ihrer Caritas für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ein. Die 27 deutschen Bistümer haben im Jahr 2015 insgesamt mindestens 71 Millionen Euro für die Förderung von Initiativen im Inland aufgewendet. Tausende von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfern und Helferinnen stehen den hier ankommenden Flüchtlingen zur Seite.
So beteiligt sich die Caritas mit zahlreichen Zeltlagern und Unterkünften an der Unterbringung der Flüchtlinge.
In mehr als 140 Flüchtlingsdiensten helfen Mitarbeitende den Neuankömmlingen, sich zurechtzufinden. Sie informieren umfassend zum Asylverfahren, bringen Kinder in Tagesstätten und Schulen unter, vermitteln Erwachsene in Deutsch- und Integrationskurse und sorgen dafür, dass kranke Menschen medizinisch versorgt werden. In den sogenannten Asylverfahrensberatungsstellen werden die Schutzsuchenden durch das vielschichtige und nur für Fachleute durchschaubare Asylverfahren begleitet. Im Therapiezentrum für Folteropfer in Köln bietet die Caritas traumatisierten Flüchtlingen therapeutische Hilfe an. Weitere psychosoziale Zentren haben 2015 ihre Arbeit aufgenommen oder sind im Aufbau. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge finden in zahlreichen Caritas-Einrichtungen ein neues Zuhause. Darüber hinaus koordiniert die Caritas vielerorts die ehrenamtliche Arbeit für Schutzsuchende und begleitet sie fachlich. Eigens erstellte Informationsmaterialien geben ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern wichtige Anregungen.
Ehren- und hauptamtliche Caritas-Mitarbeitende initiieren an zahlreichen Orten in Deutschland Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Menschen, die bereits hier leben: Sie organisieren Patenschaftsprogramme, bieten Sprach- und Alphabetisierungskurse an und begleiten die Schutzsuchenden bei Arztbesuchen und Behördengängen. Bei allen Aktivitäten ist es das ausdrückliche Ziel der Caritas, für ein friedvolles Miteinander von Schutzsuchenden und Einheimischen einzutreten.
Das Amt des "Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen" ist Zeichen dafür, dass die Deutsche Bischofskonferenz auch auf überdiözesaner Ebene eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der kirchlichen Flüchtlingshilfe vorantreibt. Die deutschen Bischöfe haben jüngst die "Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge" verabschiedet - darin werden die Grundlagen und Themenfelder des kirchlichen Engagements benannt.
Mehr als ein Drittel der Menschen, die im Jahr 2015 Zuflucht in Deutschland gesucht haben, kommt aus Syrien - dies macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, Frieden im Mittleren Osten zu schaffen. Die Kirche hat deutlich gemacht, dass auch Menschen, die in Deutschland keine Bleibeperspektive haben, menschenwürdig behandelt werden müssen. Für diese Menschen müssen geeignete Rückkehr-Programme entwickelt werden. Um die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Deutschland zu fördern, gründet der Arbeitsstab des Sonderbeauftragten Projektgruppen: Aktuell sind Projektgruppen zu den Themen "Wohnraum", "Bildung und Integration" sowie "Interreligiöser Dialog" geplant.
Kriege beenden
Ohne eine politische Lösung der Konflikte in Syrien, Irak und auch in afrikanischen Ländern kann es keine Überwindung der Flüchtlingskrise geben. Es ist daher dringend notwendig, friedensstiftende Maßnahmen in den Herkunftsländern von Flüchtlingen zu unterstützen. Die Ursachen von Krieg und Gewalt lassen sich nur langfristig bekämpfen. Frieden ist nachhaltig, wenn er auf Gerechtigkeit fußt. Multilaterale diplomatische Initiativen, zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sowie politischer und sozialer Dialog brauchen deutlich mehr Gewicht.
Die Stabilisierung von fragilen Staaten muss auch durch Menschenrechtsschutz, den Schutz von Menschenrechtsverteidigern sowie Maßnahmen der Entwicklungspolitik begleitet werden. Nicht zuletzt gilt es, alles zu unterlassen, was gewaltsame Konflikte verschärfen kann, wie deutsche Waffenlieferungen in Krisen und Konfliktgebiete bzw. in Drittstaaten.
Die Hauptlast von Flucht und Vertreibung tragen die Länder des Südens. Die Zahlen des UNHCR sprechen eine klare Sprache: "Im Jahr 2014 fanden vier von fünf Flüchtlingen weltweit Zuflucht in einem Entwicklungsland", so Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. Syrische und irakische Flüchtlinge machen inzwischen zehn Prozent der jordanischen Bevölkerung und sogar ein Viertel der libanesischen Bevölkerung aus. Nur ein Fünftel der Flüchtlinge lebt derzeit in Flüchtlingslagern, die anderen müssen selbst eine Unterkunft finden, was den Wohnraum verknappt und die Mieten in die Höhe treibt. Auch die Nahrungsmittelpreise steigen. Der ganze Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge droht aus den Fugen zu geraten, auch wenn die aufnehmenden Gesellschaften sich bislang außerordentlich solidarisch und gastfreundlich gezeigt haben.
Die Erstaufnahmeländer erfahren bisher zu wenig internationale Solidarität: Im Jahr 2015 sind die Mittel für die internationale Flüchtlingsarbeit von UNHCR und des "World Food Programme" dramatisch eingebrochen. Diese organisieren die Grundversorgung der Flüchtlinge in den Lagern. Bis Mitte des Jahres 2015 waren von den benötigten 4,5 Milliarden US-Dollar nur 23 Prozent (1,06 Milliarden Dollar) von den Staaten gezahlt worden. Dies führte zu drastischen Kürzungen der Hilfen für die einzelnen Flüchtlinge - bis hin zur Kürzung von Nahrungsrationen. Viele sehen in dieser Entwicklung einen der Auslöser für die stark angewachsenen Flüchtlingsbewegungen vom Mittleren Osten nach Europa. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.
Die Syriengeber-Konferenz Anfang Februar 2016 war ein wichtiges Zeichen. In diesem Jahr sollen etwa sechs Milliarden Euro für die notleidenden Menschen in Syrien und Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern zur Verfügung stehen. Allein Deutschland werden 2,3 Milliarden Euro investieren. Die UN gehen davon aus, dass diese Mittel noch nicht ausreichen; mindestens sieben Milliarden Euro seien notwendig.
Auch weitere multilaterale Einrichtungen und Instrumente zur nachhaltigen Unterstützung von Flüchtlingen, wie der Regional Refugee and Resilience Plan der Vereinten Nationen oder der UNHCR, sind chronisch unterfinanziert. Die Hilfe für Jordanien, Libanon und die Türkei und die weiteren afrikanischen und asiatischen Länder, die eine extrem hohe Last für den Schutz von Flüchtlingen tragen, muss massiv aufgestockt werden. Darüber hinaus sind Humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Maßnahmen enger zu verzahnen.
Agenda 2030
Eine nachhaltige Fluchtursachenbekämpfung, wozu eine friedensstiftende Außenpolitik, eine partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz zählen, wird von der Kirche bejaht und gefordert. Erzbischof Schick hat die "Agenda 2030 der Vereinten Nationen" als "Meilenstein auf dem Weg nachhaltiger Entwicklung" gewürdigt: Dem Programm liegt die Idee ganzheitlicher Entwicklung zugrunde, wie sie die Kirche seit Jahrzehnten fordert. Auch Papst Franziskus, der im September 2015 vor den Vereinten Nationen gesprochen hat, hat diesen Gedanken in seiner Enzyklika Laudato si' eindrucksvoll entfaltet. Die Agenda 2030 hat die Form eines Weltzukunftsvertrags und soll helfen, allen Menschen weltweit ein Leben in Würde zu ermöglichen. Die Umsetzung der Agenda soll dazu führen, dass alle Menschen in Freiheit und einer intakten Umwelt leben können. Sie ist getragen vom Geist einer neuen globalen Partnerschaft - eine Einteilung in "Geber" und "Nehmer" oder in "erste", "zweite" und "dritte Welt" wird abgelöst vom Gedanken der gemeinsamen und differenzierten Verantwortung für Mensch und Planet.
Caritas international, März 2016
Quellen:
- Caritas international: EU-Flüchtlingsgipfel: "Die EU muss sich gemeinsam für Flüchtlingsschutz stark machen" - Stellungnahme zum EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise am 6. März in Wien
- Supporting Syria and the Region, NGO Joint Position Paper, London 2016
- High Level CSO Briefing Statement (Civil Society Organisations inclusive of national and international NGOs, Syrian NGOs and the British Red Cross), January 2016
- Katharina Vahnenbruck, Referentin für Flüchtlingsfragen im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, März 2016