Bei Flüchtlingen aus Nord-Mali
Hunderttausende Menschen mussten in Nachbarstaaten oder in den Süden des Landes, vor allem in die Hauptstadt Bamako, fliehen. Caritas unterstützt die Flüchtlinge. Helen Blakesley von der Caritas USA (CRS) hat Flüchtlinge in Bamako besucht und uns ihre Eindrücke geschildert:
Die Familie Touré floh aus der Region Gao vor den Kämpfen. In Bamako trifft sie einen Teil ihrer Verwandschaft wieder. Die Älteren konnten nicht fliehen - sie blieben zurück.Caritas USA
Wir besuchen die Familie Touré im Stadtteil Attbougou. 24 Personen aus der Verwandtschaft der Tourés lebten bereits dort, als vor kurzem noch 32 Verwandte, die aus der Region Gao im Norden Malis geflohen waren, dazu kamen. Weil es zu eng wurde, haben sich nun einige eine andere bleibe gesucht, doch immer noch 14 Personen teilen sich jetzt einen Wohnraum, zwei Schlafzimmer und ein Bad.
Ich sitze mit Moctar zusammen, dem Herrn des Hauses. Der pensionierte Ex-Zöllner gesteht: "Wir sind müde, so müde. Manchmal denke ich, wir sind eigentlich völlig erledigt."
Ich unterhalte mich mit den Familienmitgliedern aus Gao und bin überrascht, wie offen sie mir ihre Geschichte erzählen. Moctars Tochter Fatima berichtet: "Wenn du nur mit deiner Familie zusammen bist, dann herrscht eigentlich immer Freude." Dennoch herrscht da auch eine Spannung, dennoch sind da Angst, Sorge und Erschöpfung. Die Augen der zwölfjährigen Aminata sind voller Tränen, als sie sagt: "Ich vermisse meine Freunde."
Die Caritas lindert das Leid von Familien wie den Tourés, indem sie sie mit monatlichen Zahlungen finanziell unterstützt. Von den Ärmsten und Schwächsten erhält jede Person 16 US-Dollar pro Monat, um die nötigsten Lebensmittel kaufen und die Miete bezahlen zu können.
In der nächsten Wohnung, die ich aufsuche, treffe ich zwei Frauen, die das Geld ganz für die Miete brauchen. Ihre Männer sind im Norden zurückgeblieben, um sich um den kleinen Laden zu kümmern, den die Familie betreibt. Die zwei Frauen wollten ihrer Gastfamilie nicht weiter zur Last fallen und haben sich daher selbst drei Zimmer für sich und ihre 15 Kinder gesucht.
Voller Sorge über die Zukunft
"Wir sind der Caritas so dankbar", sagt Mariam Dembéle. "Ihr gebt uns unsere Würde zurück. Als ihre Schwägerin Fanta Poudougou erzählt, dass ältere Mitglieder der Familie auf der Flucht nicht mitkommen konnten, treibt es Tränen in ihre Augen. Da kann auch ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Frauen sind voller Sorge, was die militärische Intervention im Norden für die Menschen bedeutet, die zurückbleiben mussten. Doch sehen auch sie keine andere Lösung, das Land von den extremistischen Rebellen zu befreien.
Während ich mich in Bamako aufhalte, demonstrieren rund 3.000 Menschen mit einem Friedensmarsch gegen religiösen Extremismus. Sie wollen, dass die Welt erfährt, dass die Rebellen im Nord keine Repräsentanten ihres Landes sind - manche der Rebellen sind nicht einmal aus Mali, sondern kamen ins Land, um sich in dem geschwächten Staat die Gunst der Stunde zu nutzen und Territorium zu besetzen. Und mehr und mehr Menschen aus Mali werden Opfer von Gewalttaten. Dies sind harte Zeiten für das Land.
Als ich den Shuttlebus am Flughafen besteige, hält der Sicherheitsbeamte, er uns nach Waffen durchsucht, in der einen Hand einen Gebetsriemen, in er anderen einen Metalldetektor. Dieses Bild erscheint mir symbolisch - als ein Zeichen dafür, dass Religion und Sicherheit nebeneinander existieren können. Ich würde es gerne sehen, dass dies ein gutes Omen für den Weg ist, den Mali gehen wird.
Januar 2013