Burundi: Hintergrund
Auch hierzulande hört man von der dramatischen Situation der burundischen Flüchtlinge wenig. Flüchtlingskrisen werden in den Medien vor allem dann erwähnt, wenn Menschen aus Regionen bewaffneter Konflikte fliehen und wenn die Flüchtenden zudem vor den Grenzen Europas stehen. Doch bei weitem nicht alle Flüchtlinge fliehen vor einem bewaffneten Konflikt, viele suchen Schutz vor politischer Verfolgung. Und bei weitem nicht alle wollen nach Europa. Die Statistiken der UN zeigen deutlich, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge in Ländern des globalen Südens Schutz sucht, vor allem in den unmittelbaren Nachbarländern. So auch die Flüchtlinge aus Burundi, dem Partnerland von Baden-Württemberg.
Krisen mit anhaltenden Folgen
Die fehlende öffentliche Wahrnehmung für die Misere der Flüchtlinge fernab von Europa hat Folgen. Oft gehen ein öffentliches Desinteresse und niedrige Hilfsbereitschaft Hand in Hand.
Dieses Flüchtlingslager in Ostruanda wurde 2015 errichtet. Caritas Irland (Trocaire) leitstet hier Humanitäre Hilfe.Trocaire
Burundi leidet nach wie vor unter den verheerenden Folgen des Bürgerkriegs von 1993 bis 2003 und befindet sich in einer anhaltenden politischen und sozio-ökonomischen Krise. Burundi - eine ehemalige deutsche Kolonie - erlebt seit der Unabhängigkeit im Jahr 1966 bis heute gewaltsame Kolflikte zwischen rivalisierendenGruppen um die Vorherrschaft im Land. Ursprünglich spielte dabei die ethnische Zugehörigkeit der Rivalen keine Rolle. Das Streben nach Macht lenkte jedoch bald den Blick auf die Stammeszugehörigkeit. 1972 fielen dann innerhalb von nur sechs Monaten 250.000 Menschen einem Gewaltexzess zum Opfer. Die meisten von ihnen waren Hutu, die gegen die herrschende Tutsi-Minderheit rebelliert hatten.
Eine weitere Welle der Gewalt durchlebte das Land nach dem Staatsstreich im Jahr 1993. Die politisch und dann auch ethnisch motivierten Massaker zwischen Hutu und Tutsi haben in der Folge Hunderttausende von Todesopfern gefordert, während im Nachbarland Ruanda zur gleichen Zeit fast eine Million Menschen dem organisierten Völkermord zum Opfer fielen.
Alle Familien beklagen Opfer
Fast jede Familie in dem kleinen Land Burundi mit rund sieben Millionen Einwohner*iinnen hatte Opfer zu beklagen. Etwa 1,2 Millionen Menschen sind während des Bürgerkriegs außer Landes geflohen oder haben sich innerhalb der Landesgrenzen in Flüchtlingslagern gesammelt.
Nach jahrelangen Friedensbemühungen seitens der internationalen Gemeinschaft und durch die Vermittlung afrikanischer Präsidenten wie Julius Nyerere und Nelson Mandela unterzeichneten die Konfliktparteien 2005 einen Friedensvertrag, der den Bürgerkrieg nach zwölf Jahren offiziell beendete. Mit freien Wahlen konnte im selben Jahr der demokratische Prozess in Burundi gestärkt werden. Im April 2009 legte die letzte Rebellengruppe nach 29 Jahren die Waffen nieder und wurde als Partei anerkannt. Fortan galt Burundi als Staat ohne Rebellenbewegung.
Allerdings flammen immer wieder Konflikte auf - in beängstigendem Maße während der Präsidentschaftswahl im Juli 2010. Der Wahlkampf war von starken Spannungen und einer Spirale von Gewalt und Gegengewalt geprägt. Seither kamen laut Angaben der Vereinten Nationen mindestens 1.200 Menschen ums Leben. Sie sind Opfer eines blutigen Konfliktes zwischen Regierung und Opposition.
Versöhnung braucht Zeit - es darf kein Tag verlorengehen
Das internationale Gericht zur Verfolgung von Völkermord und Kriegsverbrechen in Den Haag hat ein Hauptverfahren wegen mutmaßlicher Verbrechen in Burundi nach 2015 eröffnet. Nun darf die Haager Anklagebehörde Beweise für einen möglichen Prozess sammeln. Damit beginnt die Untersuchung des blutigen Konflikts zwischen Regierung und Opposition seit 2015. Damals hatte Präsident Pierre Nkurunziza (2015 bis 2020) trotz Ablauf seiner zweiten Amtszeit drauf bestanden, ein drittes Mal zur Wahl anzutreten. Die Opposition boykottierte den Urnengang. Bei Protesten vor und nach der Wahl starben Hunderte Zivilsten. In der Folge berichteten Oppositionelle immer wieder von Todesschwadronen der burundischen Sicherheitskräfte.
Die UNO veröffentlichte Berichte über Folter und über Massengräber. Regierungskritische Journalist/innen gerieten ins Visier, einige sind bis heute verschwunden. Laut Internationalem Strafgerichtshof sind zwischen April 2015 und Mai 2017 mehr als 400.000 Menschen vertrieben worden. Ein Großteil floh außer Landes, ins benachbarte Ruanda oder nach Tansania. Hinzu kommt das Problem der Wiedereingliederung vieler Flüchtlinge aus benachbarten Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda. Leidtragende und oft vergessen in dem aktuellen Konflikt sind die burundischen Jugendlichen und insbesondere junge Frauen.
Burundi und die Nachbarländer - Region mit zahlreichen Flüchtlingen
Von den mehr als 367.000 burundischen Flüchtlingen (Anfang 2021) sind etwa 88.000 in Ruanda, darunter fast 54.000 im Mahama Camp und 32.000 in Kigali City und anderen städtischen Zentren in Ruanda. Monatlich suchen zudem rund 1.000 Personen aus Burundi Asyl in der Region. Obwohl die ruandische Regierung und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ihr Möglichstes tun, um die Flüchtlinge zu begleiten, sind viele gezwungen, in städtischen Gebieten zu bleiben. Die städtischen Flüchtlinge - insbesondere Jugendliche - sind stark gefährdet: Ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Krankenversicherung sind sie auf der Suche nach einer Perspektive oder einer Rückkehr nach Burundi. Großist die Gefahr, dass sie in Kleinkriminalität, Prostitution und Drogenkonsum einen kurzfristigen Ausweg aus ihrer Misere suchen. Auch schließen sich vereinsamte Jugendliche gerne Rebellengruppen an, die ihnen eine Zukunft versprechen.