Eine junge Mutter auf der Flucht
Djélika (l.) war schwanger, als sie Hals über Kopf vor den Rebellen in Mali fliehen musste. Jetzt lebt sie mit ihrem Sohn Ousmane und ihren Verwandten für teures Geld in angemieteten Zimmern in Malis Hauptstadt Bamako. Helen Blakesley, CRS
Djélika Haidara schiebt ihren nach vorne gefallenen Zopf aus dem Gesicht zurück und setzt ihren fünf Monate alten Sohn auf ihren Schoß. Sie beugt sich nach unten, um in den Metalltopf auf dem kleinen Holzöfchen am Boden zu sehen, in dem ein Mahl vor sich hin köchelt. Die meiste Zeit ist sie mit Kochen beschäftigt, seit sie Timbuktut verlassen hat. Seit sie aus Angst vor ihrem Leben aus Timbuktut fliehen musste.
Am Tag, als die Rebellen kamen, saß Djélika mit anderen Schülerinnen und Schülern im Klassenzimmer und hörte aufmerksam dem Lehrer zu. Es waren gerade ihre Lieblingsfächer dran, Physik und Chemie. Dann schreckten plötzlich Gewehrschüsse die Teenager von ihren Sitzen auf. Die Rebellen waren nicht weit weg. Die ziellos umherfliegenden Kugeln aus ihren Läufen trafen einige unschuldige Opfer in dem kleinen Schulgebäude. Einige der Schüler wurden ohnmächtig, andere versteckten sich, einige andere wurden getroffen - und mehrere von ihnen starben.
Djélika war damals gerade schwanger. Eine frisch verheiratete junge Frau, die ihr erstes Kind im Leib trug. Sie wusste, dass sie so schnell wie möglich ins Freie gelangen musste. Sie konnte aus dem Klassenzimmer, lief um die halbe Schule herum und erreichte die hintere Mauer, die das Schulgelände einzäunte. Sie stieg über die Mauer und lief weiter.
Als Djélikas Schwiegermutter erfuhr, was passiert war, war ihr klar, dass man nun nichts mehr riskieren durfte. Sie bat ihren Sohn Mohamed, Djélikas Mann, unter Tränen, die Familie in Sicherheit zu bringen. Irgendwohin, nur weg von Timbuktu.
Am nächsten Tag versammelten sich viele Menschen vor dem Haus eines Nachbarn. Djélika ging daran vorbei und fragte eine Frau, was da los wäre. "Sie schlagen seine Hand ab, weil sie behaupten, er hätte etwas gestohlen."
Kurz aber fest entschlossen
Es war höchste Zeit. Die Familie packte alles zusammen, was in ihre Taschen passte und bezahlten dafür, dass andere Flüchtlinge sie in ihren Autos mitnahmen. Es kostete fast all ihre Ersparnisse. Drei Tage später erreichten sie Malis Hauptstadt Bamako.
Djélika sieht ihr Baby Ousmane an. Da sind sie nun und teilen sich mit 20 anderen Familienmitgliedern ein paar angemietete Räume. Dazwischen ein Badezimmer zur gemeinsamen Benutzung.
Das Leben ist teuer in der Hauptstadt. Als Djélika das letzte Mal zum Markt ging, kostete ein Sack Reis 80 US-Dollar. Noch vor einiger Zeit waren es erst 40.
Djélikas Familie sind auf Hilfe angewiesen. Das Geld, das sie von der Caritas erhalten, deckt die Mietkosten. Ein bisschen bleibt übrig, um noch etwas Reis oder Hirse zu kaufen. Auf eine Zeit, in der sie sich Luxusgegenstände leisten kann wie die Armbänder, darauf muss Djélika warten.
Die Caritas teilt der Familie das Geld auf eine Weise zu, die auch für Djélika vieles leichter macht: Sie erhalten eine Pre-Paid-Kreditkarte, auf der ein bestimmtes Guthaben bereits eingezahlt ist. Die Familienmitglieder können dann selbst entscheiden, zu welchem Geldautomaten sie gehen und welchen Betrag sie abheben wollen. Das erspart ihnen langes Anstehen in einer Warteschlange.
Der kleine Ousmane fasst mit seinem kleinen Händchen nach der Wange seiner Mutter. Djélika vermisst die Schule, aber wenigstens ist sie mit ihrer ganzen Familie zusammen. Und hat ihr Kind in ihren Armen.
Wenn alles vorbei ist, wird sie wieder nach Timbuktu zurückgehen. Wenn Frieden in Mali herrscht, dann will sie wieder zur Schule gehen. Sie hat ihre Zukunft klar vor Augen. Sie will als Hebamme arbeiten, die Frauen darin unterstützt, Kinder zur Welt zu bringen. Und hofft nur, dass es eine friedvolle Welt sein wird.
Helen Blakesley, Caritas USA (CRS) / März 2013