Sozialarbeit und Suchthilfe
Caritas international: Herr Schmidt, Sie arbeiten seit 10 Jahren mit Drogensüchtigen am Bahnhof Frankfurt und waren nun in Kolumbien. Was ist der Hauptunterschied zwischen den Drogenabhängigen in Deutschland und in Kolumbien?
Michael Schmidt
Michael Schmidt: Das Verblüffendste für mich war, dass der Unterschied bei den Patienten gar nicht gross ist. Das was mir die kolumbianischen Patienten über ihr Konsumverhalten erzählten, gleicht auf´s Haar den Geschichten, die ich in Frankfurt höre. Nur dass die einen spanisch und die anderen hessisch reden. Das Verhalten von Suchtpatienten scheint auf der ganzen Welt ähnlich zu sein.
Sie sind Spezialist für Heroin-Ersatz-Abgabe. Ist Heroin im Koka-Anbauland Kolumbien überhaupt eine gebräuchliche Droge?
Der Heroinkonsum in Kolumbien nimmt zu, die Drogenkartelle machen agressive Werbung dafür vor Schulen und Jugendtreffpunkten. Die Heroinabhängigen in Kolumbien sind denn auch recht jung, zum Teil deutlich jünger als 20 Jahre. Es ist wenig Wissen vorhanden, um die Abhängigkeitsgefahr und die körperlichen Risiken des Heroinkonsums. So sind wohl viele der Heroinkonsumenten in Kolumbien, nach einzelnen Studien bis zu 50 Prozent, auch Hepatitis C - infiziert. Auch die kolumbianischen Kollegen arbeiten an Substitutionsprogrammen und sondieren die Möglicheit des Spritzentausches, um die Heroinabhängigkeit weniger lebensgefährlich zu machen.
Die Partner des Suchthilfeprogrammes von Caritas international arbeiten vor allem in der Sozialarbeit. Kann diese etwas bewirken bei den Abhängigen?
Der Kontakt und das Vertrauen der Abhängigen sind das A und O, damit weitergehende Hlfe ankommen kann. Ich bin tief beeindruckt vom hohen Engagement und der hohen fachlichen Kompetenz der "Centros de Esucha", der mobilen Beratungsstellen, und den tiefen Bindungen, die die Mitarbeiter mit den Menschen auf der Strasse herstellen konnten. Und das, obwohl sie viel weniger "anzubieten" haben an materieller oder therapeutischer Hilfe als dies in Deutschland der Fall ist. Bei den Gesprächen mit den kolumbianischen Suchthilfeberatern spürte ich deren Begeisterung und das Feuer, das für diese Arbeit aufbringen. Das ist Sozialarbeit mit hoher Vertrauenswürdigkeit.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf in der Suchthilfe in Kolumbien?
Die verschiedenen Akteure der Suchthilfe sind noch zuwenig vernetzt, wissen z.T. nicht voneinander. Deswegen sind die thematischen Netzwerke, die Caritas international ermöglicht, so wichtig. Auch die Qualitätssicherung für die Substitutionshandhabung kann noch verbessert werden. Aber insgesamt bin ich tief beeindruckt, von der hohen Qualität der Drogenhilfe, die ich in Kolumbien angetroffen habe.
Dezember 2011