"Ständig musste ich mit den Verbandsmaterialien an die Front. Und ich musste erleben, wie man die Kinder und Kämpfer erschießt, die zu stark verwundet sind, um weiter mitmarschieren zu können", berichtet eine ehemalige Kindersoldatin. Sie war kaum 14 Jahre alt, als sie den Mai-Mai Milizen 'diente'.
Der Ostkongo ist bekannt für Zwangsrekrutierung von Mädchen Jungen als Kindersoldaten. Damit einher gehen Kinderrechtsverletzungen und ein unvorstellbares Leid. Viele Kinder und Jugendliche kennen keine Zeit des Friedens. Armut und fehlender Schutz sowie eine schwere humanitäre Krise im Ostkongo wurde in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Präsenz von mehr als 130 nationalen und ausländischen bewaffneten Gruppen verschärft. Sie sind nach wie vor in fast allen Gebieten im Osten der DR Kongo aktiv. Die von ihnen ausgehende Gewalt, Missbräuche, Drohungen und Entführungen, aber auch die anhaltenden Gefechte und militärischen Operationen prägen ein Klima der Gewalt. Überfälle, Geiselnahmen, Massenvergewaltigungen, Vertreibungen, Morde und vor allem auch die Rekrutierung von Kindersoldaten sowie die Zwangsarbeit von Kindern zur Finanzierung der Rebellengruppen fügen vielen Kindern großes Leid zu.
Demobilisierung der Kindersoldaten hält an
Die Milizen kommen auch aus den Nachbarländern, aus Uganda oder Ruanda. Sie verschleppen Kinder und machen sie zu Soldaten, auch wenn diese erst acht oder neun Jahre alt sind", erzählt Abbé Richard, Direktor der Caritas Goma. "Mit Hilfe der lokalen Autoritäten und mit Unterstützung von Caritas international konnten wir jedoch bereits viele Rebellenführer davon überzeugen, die Kinder wieder gehen zu lassen. Das erreichen wir beispielsweise durch Radioprogramme."
Die DR Kongo verfügt über ein staatliches Programm zur Entwaffnung von Kindersoldaten und ist politisch bemüht, die seelisch und körperlich verwundeten Kinder zu befreien. Die Caritas Goma unterstützt dieses Bemühen den Konfliktregionen Masisi, Rutshuru und Walikale sowie Nord-Kivu und wirbt Kindersoldaten aus Milizen und Armeeeinheiten ab.
"In unseren fünf Zentren versorgen wir im Jahr rund 700 Kinder", so der Direktor der Caritas Goma. "Sie erhalten bei uns Essen, Kleidung, psycholoogische Unterstützung und gehen zur Schule. In Bildungskursen, die zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauern, versuchen wir ihnen einen Beruf zu vermitteln." Die Caritas versorgt die Kinder medizinisch und psychologisch. Sie ermöglicht eine Schulbildung, um ihnen neue Lebensperspektiven zu bieten. Die Kinder wieder ins zivile Leben zu ihren Familien zurückzuführen, ist das primäre Ziel.
Parallel wird die Bevölkerung, Gemeindeverwaltungen und staatliche Autoritäten wie Militär und Polizei für Kinderrechte sensibilisiert. Auf diesem Wege wird der Druck auf die Milizen erhöht, die Kinder freizugeben, die als Soldatinnen und Soldaten unter Zwang rekrutiert wurden.
Die Mitarbeiter von Caritas Goma sorgen dafür, dass die betroffenen Kinder in Transitzentren ihre Erlebnisse bearbeiten können, bevor sie in ihre Familien zurückkehren oder von Gastfamilien betreut werden. Keine leichte Aufgabe, denn: "Auch die Menschen in den Dörfern haben Angst vor uns ehemaligen Kindersoldaten. Sie denken, wir verraten sie an die Mai-Mai Milizen. Selbst meine Familie hat mich fortgejagt, als ich zu ihnen kam", berichtet ein 16-Jähriger aus Minova in Südkivu.
Seit Beginn des Demobilisierungs- und Eingliederungsprogrammes im Jahr 2004 konnte Caritas Goma bis Juni 2021 insgesamt 11.241 Kinder und Jugendliche von den bewaffneten Gruppen demobilisieren.
11.190 Kinder wurden mit ihren Familien wieder vereint. Eine stolze Bilanz, berücksichtigt man die Schwierigkeiten, mit denen diese Arbeit verbunden ist. Um an die Kindersoldaten heranzukommen, bedarf es vieler Gespräche. Erst muss das Vertrauen der Kinder gewonnen werden, dann müssen die Behörden überzeugt werden, denn sie sind in die Abgabe der Waffen eingebunden. Wurde die Identität eines Kindes festgestellt, erhält es Dokumente. Erst mit den offiziellen Papieren über ihre Entwaffnung wird den Kindern ihre zivile Identität zurückgegeben.
Befreiung reicht nicht - Integration ist unverzichtbar
Damit die Wiedereingliederung in Gesellschaft und Familie gelingt, ist es in einem zweiten Schritt nötig, die Kinder wieder an den Schulbesuchs und den Alltag zu gewöhnen. Krankheiten müssen behandelt und die psychische Stabilität behutsam gefördert werden. Eine psychologische Betreuung der Kinder ist unverzichtbar für das Gelingen. In den fünf von der Caritas Goma betreuten Kinderzentren wird ein Grundstein dafür gelegt, dass die Kinder im zivilen Leben zurechtzukommen. Dafür werden Freizeitaktivitäten, Aufklärungskurse und Lernangebote in Landwirtschaft und Viehzucht angeboten.
Im Interview: Der Leiter des Programms zur Demobilisierung von Kindersoldaten der Caritas Goma
Soziale und psychologische Betreuung in den Transitzentren
Auch das laufende Programm sorgt sich um weitere 450 Kinder, darunter 350 ehemalige Kindersoldaten und 100 weitere gefährdete Kinder. Die zwangsrekrutierten Kinder werden aus den Rebellengruppen ausgelöst und in einem der fünf Caritas-Transitzentren oder in Gastfamilien aufgenommen und betreut. 100 Jugendliche ab 15 Jahren erhalten eine berufliche Handwerksausbildung zum Schreiner, Zimmermann oder Maurer, zur Friseurin, Mechanikerin oder Schneiderin. Nach erfolgreicher Ausbildung erhalten die Jugendlichen ein Set mit Werkzeugen bzw. eine Ausrüstung, um sich mit den neuen beruflichen Kenntnissen ihren Lebensunterhalt zu verdienen.