Georgien: Mobile Sozialarbeiter zeigen Kindern neue Wege
Kinder und Jugendliche aus unsicheren sozialen Verhältnissen sind Hauptleidende der Armut in Georgien. Viele Eltern, die von finanzieller Not und Arbeitslosigkeit betroffen sind oder sich mit prekären Jobs durchschlagen, sind nicht in der Lage, sich ausreichend um ihre Kinder zu kümmern.
Oftmals sind die Kinder dann sich selbst überlassen. Einige suchen ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße, auch wenn sie offiziell bei ihren Familien wohnen. Andere sind wegen häuslicher Probleme von der Familie weggelaufen. Viele müssen sich mit Betteln durchschlagen, manche sind Waisen oder Halbwaisen, die keinen Familienverbund mehr haben. Was alle eint, ist die existentielle Notlage und die daraus folgende Vernachlässigung. Laut einem Bericht des Nationalen Jugendrats zur Situation der Jugend in Georgien gehen gerade einmal ein Fünftel der Jugendlichen bis 30 Jahre einer Arbeit nach. Häufig haben sie keine Ausbildung, die auf dem Markt gefragt ist.
Während in ländlichen Gebieten größtenteils noch intakte Familienstrukturen bestehen, ist dies in der Millionenstadt Tiflis nur noch eingeschränkt der Fall. In der Anonymität der Großstadt ist oft kein Familienangehöriger oder Nachbar vor Ort, um sich der Kinder und Jugendlichen anzunehmen. Rund ein Drittel der rund 5.000 betroffenen Kinder haben noch nie eine Schule betreten. Nach Einschätzung der staatlichen Gesundheitsbehörde konsumieren 70 Prozent der männlichen und 20 Prozent der weiblichen Jugendlichen Drogen. Aus all diesen Gründen hat die Caritas Georgien bereits 1997 das Projekt "Mobile Jugendarbeit und Straßenkinderzentrum" in Leben gerufen.
Mobile Jugendarbeit
Ein Platz zum Malen: Im Bus der CaritasZviad Rostiashvili
Sozialarbeiter gehen direkt in das Lebensumfeld von rund 350 Kindern in schwierigen Lebensumständen. Mit einem Fahrzeug suchen sie gemeinsam mit Psychologen sowie Freiwilligen die Kinder und Jugendlichen an abgelegenen Orten auf. Ziel der mobilen Jugendarbeit ist es, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, Vertrauen zu gewinnen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Die Sozialarbeiter/innen informieren über Angebote der Caritas und laden die Kinder in ein Zentrum für Straßenkinder ein, das tagsüber geöffnet ist. Das Haus ist für die Straßenkinder ein sicherer Hafen. Hier können sie ausruhen, es gibt warme Mahlzeiten, Dusch- und Waschgelegenheiten, ein Spielzimmer, Gespräche jenseits des harten Straßenlebens. Manche treffen hier zum ersten Mal auf Erwachsene, die ihnen zuhören, die Nöte ernst nehmen und Orientierungshilfe anbieten. "Viele haben keine Ahnung, dass man Konflikte auch dadurch lösen kann, dass man miteinander spricht", erzählt die Leiterin des Projekts, Irina Abuladze, und fährt fort: "Die Kinder haben jedoch ganz andere vielseitige Fähigkeiten. Schließlich können sie sich selbst am Leben halten. Diese Fähigkeiten sollen sie hier nicht verlernen, aber wir wollen gemeinsam mit ihnen ihre Möglichkeiten erweitern."
Die Caritas Georgien bietet den Kindern zunächst einmal einen geschützten Raum, in dem sie sich ausruhen können. Wer krank oder verletzt ist, kann sich medizinisch versorgen lassen. 90 Kinder, die in schwierigen Verhältnissen leben - sei es auf der Straße oder als Kinder sehr armer Familien - besuchen das Jugendzentrum der Caritas Georgien regelmäßig. Sie erhalten hier Basis-Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen oder Kurse zu Themen wie gesunde Lebensführung, Gewaltprävention, Schutz vor HIV/AIDS, Drogen oder gewaltfreie Kommunikation.
Ein Platz für alle
Die Kinder finden in der Straßenschule einen geschützten Raum - und die Möglichkeit, sich als Kind zu fühlenZviad Rostiashvili / Caritas international
In dem Jugendzentrum finden die Kinder ein breit gefächertes Angebot an psychosozialer Beratung und praktische Hilfen, um den Lebensalltag zu meistern. Viele haben ein verzerrtes Selbstbild, Defizite in der Kommunikation und können ihre Emotionen und Bedürfnisse nicht oder nicht gewaltfrei kommunizieren. Daher organisieren die Mitarbeitenden der Caritas Georgien pädagogische Trainingseinheiten zur Eigen- und Fremdwahrnehmung. Die Jugendlichen lernen, wie man Konflikte bewältigt. Das Angebot für die Kinder deckt alle Interessen ab: Sport- und Kunst, Handwerk, Schauspiel, Tanz, Lesen, Diskussionsgruppen, Spiele, Englischkurse, Computerkurse. Ein Peertrainer, der gerade selbst einmal 16 Jahre jung ist, kann zu den Jugendlichen eine Beziehung auf Augenhöhe herstellen. Vertrauen ist der erste große Schritt.
In Zusammenarbeit mit Berufsschulen und bildungsorientierten Organisationen bietet die Caritas Georgien Workshops an, damit die Jugendlichen Berufskenntnisse erlangen. Darüber hinaus bekommen die Kinder und Jugendlichen Trainings zu den Themen Stellensuche, Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgespräch. Die Mitarbeitenden helfen den Kindern und Jugendlichen auch bei Konflikten mit Behörden oder der Polizei.
Selbstbestimmtes Leben lernen
Kinder und Jugendliche können aktiv an der Programmplanung teilnehmen und sollen die Angebote selbstbestimmt nutzen. Wenn sie ihre eigenen Fähigkeiten kennenlernen, wird damit ihr Selbstbewusstsein gestärkt. All das hat hunderten Jugendlichen und Kindern geholfen, eine Perspektive jenseits der Straße zu entwickeln, Hoffnung zu schöpfen und Alternativen zu erarbeiten.
Die Stadtverwaltung zeigt sich bei dem Projekt sehr kooperativ und übernimmt pro Kind einen Teil der Kosten für das Zentrum. Caritas Georgien arbeitet zudem Hand in Hand mit anderen Wohlfahrtseinrichtungen. Nur durch die Kombination an ehrenamtlicher Initiative und hoher pädagogischer Qualifikation kann diese Arbeit - mit finanzieller Unterstützung von Caritas international - geleistet werden.