Ein Beitrag von Birgit Winterhalter
Leiterin der Fundraising-Abteilung
18. Juni 2024 / Lesedauer: 3 Minuten
Bei meinem Besuch in Äthiopien habe ich gelernt, dass nicht nur die Trockenheit zu Wassermangelt führt, sondern auch der Krieg. Von 2020 bis Ende 2022 herrschte in Nordäthiopien ein brutaler, bewaffneter Konflikt zwischen der Zentralregierung, die von eritreischen Soldaten unterstützt wurde, und einer Rebellengruppe, die sich Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) nennt. Über 600.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, starben während dieser Jahre an Gewalt und Hunger. Obwohl der Konflikt heute vorerst beruhigt ist, wirkt er sich immer noch drastisch aus.
Im Rahmen des Krieges wurden circa 72 Prozent der Wasserinfrastruktur teilweise oder vollständig zerstört. Das betrifft sowohl Trinkwasseranlagen als auch landwirtschaftliche Bewässerungssysteme. Oft wurden gezielt zentrale Elemente der Wassersysteme, beispielsweise Generatoren, Verteiler oder Wassertanks zerstört, um die Menschen zu zermürben und auszuhungern. Das bedeutet, dass es schnell gezielte Reparaturmaßnahmen braucht, um die Wasseranlagen wiederherzustellen. Doch hierfür fehlt den Menschen das Geld - die meisten haben durch den Krieg alles verloren. Also trinken sie aus anderen Wasserquellen, aus Flüssen oder teilweise sogar aus Pfützen. Das führt zu einer drastischen Verbreitung infektiöser Krankheiten, wie Cholera, Malaria, Tollwut und Milzbrand.
Um dieser Not ein Ende zu bereiten, ist es enorm wichtig, die zerstörten Brunnen und Bewässerungssysteme schnellstmöglich wieder aufzubauen. Caritas international und seine Partner vor Ort leisten hier Großes.
Gemeinsam reparieren wir bestehende Brunnen im ehemaligen Kriegsgebiet oder bauen neue Brunnenanlagen. Vorher lassen wir Ingenieure kommen, um die geologischen Voraussetzungen zu prüfen. Denn nicht an allen Orten kann man die gleichen Brunnen bauen. Wenn das Wasser näher an der Oberfläche ist, reichen Flachbrunnen mit einer Tiefe von bis zu 60 Metern, die mit Handpumpen funktionieren. Liegt das Grundwasser jedoch tiefer, ist der der Bau eines Tiefbrunnens mit einer Tiefe von 150 Metern erforderlich. Der Bau eines solchen Tiefbrunnens kann bis zu 105.000 € kosten. Viel Geld, das Caritas international vor allem dank privater Spenden aufbringen kann.
Mit das Wichtigste bei unseren Wasserprojekten ist, dass sie nachhaltig sind. Wir wollen die Brunnen in den Besitz der Dorfgemeinschaften geben - das Projekt soll so auch ohne unsere Hilfe weiterlaufen. Also wird in jeder Gemeinde, in der ein Brunnen repariert oder gebaut wird, ein sogenanntes Wasserkomitee gebildet. Die Dorfbewohner_innen selbst wählen aus ihren Reihen Frauen und Männer aus, die sich um die Brunnenanlage kümmern sollen. Sie sind dafür zuständig, den Zugang zum Brunnen zu kontrollieren und dessen Instandhaltung zu garantieren. Sie sorgen dafür, dass die Wassersysteme dauerhaft und vor allem gerecht funktionieren. Denn an Wasserquellen machen sich Ungleichheiten oft drastisch bemerkbar.
Für ihre Arbeit bekommen die Mitglieder der Wasserkomitees einen kleinen Lohn. Die Menschen aus dem Dorf, die die Brunnen nutzen, bezahlen sie für ihren Dienst. 10 bis 20 Birr (umgerechnet ungefähr 50 Cent) kostet die Brunnennutzung für eine Familie im Monat. Von der Gebühr werden auch kleinere Instandhaltungsarbeiten finanziert. Das Bezahlsystem führt auch dazu, dass die Dorfbewohner_innen sehr achtsam mit der Brunnenanlage umgehen, sie hegen und pflegen. Viele sehen es auch als eine Investition in die eigene Sicherheit.
Denn in den Dörfern, in denen es keine Brunnen gibt, sind die Schwächsten der Gemeinschaft vielen Gefahren ausgesetzt. Wenn Frauen und Kinder kilometerlang zum Wasserholen laufen, kommt es nicht selten zu gewaltsamen Übergriffen. Immer wieder wurde mir auch von sexueller Gewalt berichtet. Diesem Schrecken wirken die Brunnen entgegen. Sie stehen zentral in den Dörfern oder nah an öffentlichen Schulen. Die Brunnen sind ummauert und mit einem Tor gesichert. Zweimal am Tag sind die Brunnen zum Wasserholen geöffnet. Nur die Mitglieder der Wasserkomitees haben einen Schlüssel und kontrollieren so, dass alles geregelt und sicher abläuft. Dort, wo es Brunnen gibt, nehmen die gewaltsamen Übergriffe merkbar ab und auch die Krankheiten gehen zurück.
Auch in vielen Schulen gibt es inzwischen Wasserkomitees. Durch sie lernen die Kinder und Jugendlichen, wie wichtig Hygiene zur Vermeidung von Krankheiten ist und wie sie Wasser ressourcenschonen nutzen können.
Jeder Brunnen verbessert die Situation der Dorfbewohner_innen.. Für die Frauen und Kinder sind sie eine tägliche Erleichterung und sparen viele Stunden Zeit. Zeit, die Kinder nutzen, um zu lernen unddie die Frauen haben, um auf den Feldern zu arbeiten und ihre Ernte zu verkaufen. Doch sie brauchen noch viel mehr. Beispielsweise Wasserreservoirs, Rückhaltebecken oder Zisternen. Erst dann hätten sie genügend Wasser, um unabhängig vom Regen ihre Felder zu bewirtschaften. Denn das Land im Norden Äthiopiens ist fruchtbar. Die Menschen könnten ein besseres Leben führen, wäre da nur mehr Wasser - und endlich langfristig Frieden.
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