Kenia: Ohne Regen kein Leben
„Das Leben in Marsabit war noch nie einfach. Es ist heiß und trocken hier, die Wege zum Wasser sind weit“, erklärt Wario Guyo Adhe, seit Jahren Programmleiter von PACIDA, eine erfahrene Partnerorganisation von Caritas international. Aber was sich derzeit in der Region abspielt, erreicht auch für den erfahrenen Helfer neue Dimensionen.
Seit August 2020 hat es in Marsabit kaum geregnet, es ist die trockenste Phase seit Beginn der Aufzeichnungen. Wissenschaftler_innen machen vor allem den Klimawandel dafür verantwortlich, dass die Dürrezeiten immer häufiger und länger werden. Für die Bevölkerung in Marsabit, eine der größten und ärmsten Regionen Kenias, eine lebensbedrohliche Katastrophe: Mehr als 80 Prozent der Menschen leben von der Viehwirtschaft. Die Milch und das Fleisch der Tiere sind ihre Lebensgrundlage. Sterben sie, hungern die Menschen.
„Wenn wir in die Dörfer fahren, bricht es uns fast das Herz. Wir sehen unterernährte Kinder, die vor lauter Hunger nicht mehr in den Schlaf finden, ausgemergelte alte Menschen. Und Mütter, die ihre Kinder nicht mehr stillen können, weil sie selbst nichts zu essen haben“, erzählt Wario Guyo Adhe von PACIDA.
Ein Tanklaster bringt Wasser in das Dorf Yaa Sharbana.Foto: Linda Tenbohlen / Caritas international
Weite Wege
Die Nomaden im Norden Kenias müssen in diesen Tagen das Vierfache ihrer üblichen Wegstrecken mit ihren Herden zurücklegen, um überhaupt etwas Wasser und Weideland zu finden – bei Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius. Das zehrt an den Kräften der Tiere, macht sie anfällig für Krankheiten und Raubtiere, viele dehydrieren. Allein in der Region Marsabit sind mehrere hunderttausend Tiere verendet. Der schlechte Zustand der überlebenden Tiere hat dazu geführt, dass die Viehpreise im freien Fall sind: Konnte eine Ziege noch im Oktober 2020 gegen 148 kg Mais getauscht werden, ist sie jetzt nur noch 60 kg Mais wert.
Es sind nicht nur die Hirten und ihre Herden: Auch Frauen und Mädchen müssen immer weiter und weiter laufen, um für ihre Familien Wasser zu holen. „In Marsabit sind aktuell 80 Prozent aller Oberflächenwasserquellen erschöpft“, erklärt Wario Guyo Adhe, „jedes zehnte Bohrloch funktioniert nicht mehr.“ Bis zu zwanzig Kilometer legen die Frauen zu den Wasserstellen zurück und tragen dann die schweren gefüllten Kanister auf dem Kopf oder Rücken wieder nach Hause. Pro Tag und pro Person stehen nur fünf Liter Wasser zur Verfügung – zum Trinken, Waschen und Kochen.
Immer wieder kommt es auf der verzweifelten Suche nach Wasser und Weideland zu Kämpfen zwischen verschiedenen Nomadenstämmen, die mitunter tödlich enden. Deshalb steht die Friedens- und Dialogarbeit mit den betroffenen Menschen ganz hoch auf PACIDAs Agenda. Gleichzeitig helfen Wasserlieferungen für Menschen und Tiere und auch der von PACIDA angestrengte Bau neuer Bohrlöcher dabei, die Konflikte zwischen den Nomaden zu entschärfen.
Wie wir helfen:
Gemeinsam mit PACIDA unterstützt Caritas international die Menschen im Bezirk Marsabit bei ihrem Kampf gegen Dürre und Hunger. Ziel der Hilfsmaßnahmen ist es, die Ernährung vor allem von Kindern, Frauen und armen Familien zu sichern, die Wasserversorgung zu verbessern und den Frieden zwischen den Gemeinden zu fördern, die durch Konflikte um Wasser und knappes Weideland unter Druck stehen.
Zu den Hilfsmaßnahmen zählen:
- Bargeldtransfers an gefährdete Haushalte, damit die betroffenen Familien sich mit dem Nötigsten selbst versorgen können,
- die Verteilung von Nahrungsmitteln an Familien, die keinen Zugang zu Märkten haben
- Mahlzeiten für Schulkinder
- Die Verteilung von mit Vitaminen und Proteinen angereicherten Nahrungsmitteln für Schwangere und stillende Frauen, Kleinkinder und ältere Menschen
- Wassertransporte in abgelegene Gebiete und die Instandsetzung von Bohrlöchern
- der Bau von Brunnen, deren Pumpen wahlweise mit Solarmodulen betrieben werden, auch Wasserstellen für Tiere werden eingerichtet
- der Aufkauf des geschwächten Viehs, um den Viehhalterfamilien ein Einkommen zu verschaffen
- Trainingseinheiten für Viehhirten zu nachhaltiger Weidewirtschaft, Herdenhaltung und Ressourcennutzung, um die Erträge zu steigern
- das Anlegen von Impfvorräten gegen Viehseuchen
Katastrophenprävention und Nothilfe sind die Kernkompetenzen unserer lokalen Partnerorganisation PACIDA, mit der wir seit 2013 erfolgreich zusammenarbeiten und schon mehrere Dürren bewältigt haben. Auch dieses Mal können wir es schaffen – mit Ihrer Spende.
Katastrophenvorsorge: Vorbereitet auf künftige Dürren
Wario Guyo Adhe, Programmkoordinator von PACIDA, im Gespräch mit Vertretern des lokalen Wasserkomitees.Foto: Linda Tenbohlen / Caritas international
Die Menschen im Norden Kenias leben seit Jahren im Ausnahmezustand und jede Katastrophe schwächt ihre Widerstandskräfte weiter. Schon 2019 waren die Trockenphasen viel zu lang, dann regnete es ungewöhnlich stark, so dass weite Gebiete überschwemmt wurden. Wenige Monate später, im Februar 2020, fielen Milliarden Heuschrecken in die Region ein und zerfraßen das Weideland, fast zeitgleich kam es zum Shutdown wegen Corona.
PACIDA und Caritas international möchten den Menschen in der krisengeschüttelten Region langfristig helfen, sich an die durch den Klimawandel veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Das Konzept heißt „nachhaltige Katastrophenvorsorge“ und funktioniert so:
„Die Hauptarbeit von PACIDA ist es, Wasser so lange wie möglich verfügbar zu halten. Damit werden die Folgen der Trockenzeit abgemildert“, erklärt Wario Guyo Adhe. Gemeinsam mit den Menschen vor Ort hebt PACIDA Wasserrückhaltebecken aus, die sich in der Regenzeit mit Niederschlag und Oberflächenwasser füllen und in der Trockenzeit als Wasserreservoir für Mensch und Tier dienen. „Wir bauen auch unterirdische Zisternen und bohren neue Brunnen“, ergänzt Guyo Adhe. Über Radiostationen gibt PACIDA Warnungen heraus, die die Gemeinde so früh wie möglich auf drohende Dürrephasen hinweisen und ihnen Zeit geben, sich vorzubereiten. Und sie helfen dabei, die Herden gesund zu halten, etwa durch Impfungen oder indem sie gängige Krankheiten wie Wurmbefall behandeln.
Trotz aller Vorsorgemaßnahmen bleibt die Viehzucht in Zeiten des Klimawandels ein unsicheres Unternehmen. Deshalb unterstützt PACIDA die Menschen darin, sich breiter aufzustellen und alternative Einkommensquellen zu erschließen. Vor allem Frauen und Frauengruppen erhalten Kleinkredite, mit denen sie ihre eigene Geschäftsideen umsetzen können, die ihnen in Krisenzeiten das Überleben sichern.