Rent an Ox
Ochsenpflüge lassen die Erträge aus der Landwirtschaft bis zu sechsmal höher ausfallen als zuvor.Foto: Sebastian Haury / Caritas international
Der Ochsenpflug ist eine alte Erfindung. Doch im Südsudan wurden Ochsen bislang noch nie zur Arbeit eingesetzt. Sister Gracy hatte da eine ziemlich ausgeklügelte Idee: Sie gründete einen Ochsen-Leihservice. Für umgerechnet etwa 9.000 US-Dollar kaufte sie 18 junge Ochsen und ließ sie trainieren, parallel dazu wurden 75 junge Männer im Umgang mit den Tieren geschult. Wenn es an der Zeit ist, die Äcker zu bestellen, ziehen die mittlerweile fertig ausgebildeten Männer in Dreierteams mit Ochse, Pflug und Saatgut von Familie zu Familie.
Im Südsudan bestimmen seit Jahrzehnten Gewalt und Hunger das Leben der Menschen. Der Ochsenpflug hilft, die Ernteerträge zu erhöhen. Dadurch wird das Einkommen vieler Familien gesichert. Das bietet ganzen Dörfern Stabilität und eine Perspektive für die Zukunft.
Südsudan - Der jüngste Staat der Welt
Ein altes Flugzeug erinnert an unruhige Zeiten, die seit 1955 beinahe Dauerzustand im Südsudan sind.
Foto: Philipp Spalek
Seit 1955 leben die Menschen in jener Region, die heute den Südsudan bildet, fast ununterbrochen im Kriegszustand. Der jüngste Staat der Welt erreichte im Januar 2011 nach einem jahrzehntelangen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans seine Unabhängigkeit. Doch die Kämpfe gingen weiter. 2013 begann ein blutiger Bürgerkrieg um Macht, Einfluss und Ressourcen. Offiziell wurde im Jahr 2018 Frieden geschlossen, die Gewalt flammt aber bis heute immer wieder auf.
Viele Südsudanes_innen sind seit Jahrzehnten auf der Flucht im eigenen Land. Sie können ihre Felder nicht bestellen und die Ernte nicht einholen. Hinzu kommen immer schwierigere klimatische Bedingungen: Die Regenzeit setzt von Jahr zu Jahr später ein, wodurch sich die Anbauzeit für Nahrungsmittel dramatisch verkürzt. Fällt dann endlich der Regen, haben die Menschen häufig mit sintflutartigen Niederschlägen und Überschwemmungen zu kämpfen. Hungersnöte sind die Folge.
Das Zentrum für ländliche Entwicklung
Etwa fünf Kilometer außerhalb von Wau liegt das von Sister Gracy gegründete Zentrum für ländliche Entwicklung. Rund um das Zentrum befindet sich ein riesiges Grundstück mit Gärten und großen Feldern.
Das Zentrum für ländliche Entwicklung gibt den Menschen Hoffnung: Es gibt eine Schule für Kinder und auch Kurse für Erwachsene, um Produkte selbst herzustellen und zu verkaufen.
Foto: Philipp Spalek
Zum Zentrum gehört unter anderem eine Schule, in der Kinder lesen und schreiben lernen. Direkt nebenan lernen Erwachsene, wie man ein eigenes Einkommen erwirtschaftet, beispielsweise durch die Herstellung von Seife und Schmuck oder das Schneiderhandwerk.
Da durch den jahrzehntelangen Krieg viel Wissen um Agrartechniken verloren ging, lernen die Menschen im großen Gemeinschaftsgarten des Zentrums erfolgreiche Anbaumethoden und nehmen dieses Wissen wiederum mit in ihre Dörfer – um auch dort die Erträge zu erhöhen. Mit dem Bau von Energiesparöfen hat Sister Gracy weitere Kniffe gefunden, um das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern.
Wer ist Sister Gracy?
Sister Gracy ist eine Ordensschwester aus Indien. 1998 kam sie nach Wau, der zweitgrößten Stadt im heutigen Südsudan. An ihrem Ankunftstag erlebte sie den „Schock ihres Lebens“, wie sie uns erzählt. Die unfassbare Notlage und Armut der Menschen machten ihr klar: „Bis zu meinem Tod werde ich den Menschen im Südsudan zur Seite stehen, komme was wolle.“
Durch den von Sister Gracy initiierten Ochsen-Leihservice haben die Menschen nicht nur Einnahmen, um ihre Familien zu ernähren, sondern diejenigen, die den Leihservice nutzen, werden mit einer fünf- bis sechsfach so großen Ernte belohnt.Foto: Philipp Spalek
Deshalb hat sie sich auch den Ochsen-Leihservice ausgedacht: "Das ist eine win-win Situation", sagt sie stolz. "Meine 75 Angestellten können von dem Lohn sich und ihre Familien ernähren. Diejenigen, die dieses Angebot annehmen, haben plötzlich eine fünf- bis sechsfach so große Ernte, können Überschüsse auf dem Markt verkaufen und ihre Kinder zur Schule schicken“. So geht es allen besser und durch den Einsatz von lediglich 9.000 US-Dollar können ganze Dorfgemeinschaften auf Jahre profitieren.