Hochwasser in der Reisschüssel
Gemüseanbau in KambodschaFoto: Bente Stachowske, Caritas international
Wasser hat Kambodscha einst reich gemacht. Und mächtig. So reich und mächtig, dass dort zwischen dem 10. und 15. Jahrhundert die größte Stadt der vorindustriellen Welt entstand: Angkor Wat. Über eine Million Menschen konnten schon damals dank ausgeklügelter Bewässerungssysteme ernährt werden.
Doch seit einigen Jahren ist das Wasser immer weniger berechenbar, die Abfolge von Regen- und Trockenzeiten wird immer unzuverlässiger. Das einstmals als Reisschüssel Südostasiens bekannte Land versinkt immer öfter im Hochwasser. Das stellen vor allem die Kleinbauern mit Sorge fest: „Früher hat es während des Monsuns bis Oktober geregnet, dann begann die Trockenzeit. Jetzt regnet es immer öfter bis weit in den November hinein“, berichtet Ros Meng, der mit seiner Familie in dem 1500-Seelen-Dorf Barong lebt. Der Wasserpegel steige während der Regenzeit derart stark an, erzählt der 26-Jährige, dass der Ackerbau mit herkömmlichen Methoden immer schwieriger werde. Besonders schlimm war es im Jahr 2011, als 52 Brunnen im Dorf unter Wasser standen und 123 Familien evakuiert werden mussten.
Schnell wachsende Reissorten helfen
Anpassung an den Klimawandel kann auch der Umstieg auf neue Getreidesorten bedeuten.Foto: Bente Stachowske, Caritas international
Das größte Problem von Barong: Noch vor zwanzig Jahren konnte der Reis auch in der Regenzeit angebaut werden. Aufgrund der regelmäßigen starken Überflutungen ist das heute nicht mehr möglich. Damit fehlt den Bauern mindestens eine von vier Ernten pro Jahr. Die Lösung für dieses Problem: den Anbau von Reis in der Trockenzeit intensivieren. Das gelang, indem effiziente Bewässerungssysteme aufgebaut sowie neue, schneller wachsende Reissorten eingeführt wurden. Bei Halbzeit des Projektes sind die Ergebnisse ermutigend: 54 Prozent der Dorfbewohner konnten ihre Reis-Erträge bereits steigern. Überdurchschnittliche Erträge erzielten auch die Bauern, die nun dank Tröpfchenbewässerung das ganze Jahr über wassersparend neue Gemüsesorten wie Gurke, Zucchini oder Wassermelone anbauen. Oder wie Ros Meng einen Fischteich angelegt haben, von dem sie nun leben.
In solchen Bauten finden die Menschen Schutz vor zukünftigen Fluten.Foto: Bente Stachowske, Caritas international
Da aufgrund der Überflutungen die Brunnen immer öfter verdreckt waren, musste aber auch die Trinkwasserversorgung für die Familien neu organisiert werden. Mit Regenauffangbecken, der Erschließung neuer Wasserquellen und solarbetriebenen Wasserpumpen rückten die Dörfer diesem Problem so erfolg-reich zuleibe, dass mittlerweile 85 Prozent der Einwohner – auch in Zeiten schwerer Überschwemmungen – in weniger als 150 Meter Entfernung Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Genauso wichtig: Hochwasser-Frühwarnsysteme sowie sichere Rettungsplätze für Mensch und Vieh.
Erderwärmung dringend bremsen!
Das Leben in Barong und den anderen sechs Projektdörfern scheint auf absehbare Zeit eine Perspektive zu haben. Zumindest dann, wenn es zugleich in den Industriestaaten gelingt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermindern und damit die Erwärmung der Erde zu bremsen.
Klimatische Veränderungen haben gravierende Auswirkungen auf Kambodscha und seine BewohnerFoto: Bente Stachowske, Caritas international
Für Kambodscha ist die große Frage, ob all die notwendigen Anpassungen hier wie dort schnell genug gelingen. Ein warnendes Beispiel dafür, welche verheerenden Folgen es nach sich ziehen kann, wenn die Zeichen der Zeit nicht erkannt werden, hält Kambodschas Geschichte bereit: Das Reich von Angkor Wat, das größte seiner Zeit, fiel nach einer Jahrzehnte andauernden Blütezeit im 15. Jahrhundert allmählich in sich zusammen. Lange rätselten die Wissenschaftler über die Ursachen für den Untergang. Heute sind die Forscher sicher: Nicht Kriege gegen mächtigere Nachbarreiche waren verantwortlich für den Kollaps. Natürliche Klimaveränderungen während der Kleinen Eiszeit, zunehmende Bodenerosion aufgrund von Waldrodung und der damit verbundene Zusammenbruch der Wasserversorgung haben dafür gesorgt, dass das größte Reich des Mittelalters seine Bewohner nicht mehr ernähren konnte – und unterging.
Achim Reinke, Dezember 2017