Jemen: Nothilfe und Zukunftschancen
Eine Infektion ist in Zeiten von Antibiotika in der Regel einfach unter Kontrolle zu bringen und die Betroffenen genesen schnell. Doch im Jemen sind Antibiotika oder andere Medikamente eine Kostbarkeit und kaum Ärzte oder Apotheker im Land, die diese verabreichen könnten. Deshalb können selbst einfache Krankheiten schnell lebensbedrohlich werden - besonders, wenn diese Krankheiten auf eine hungernde und verarmte Bevölkerung treffen.
400.000 Kindern droht der Hungertod
24 Millionen Menschen und damit mehr als 80 Prozent der Bevölkerung des Jemens sind auf Humanitäre Hilfe angewiesen. Die Vereinten Nationen befürchten, dass die Zahl der unterernährten Kinder dieses Jahr um 22 Prozent steigen könnte. 400.000 Kindern droht demnach akut der Hungertod.
Millionen Menschen im Jemen brauchen Hilfe. Rund 400.000 Mädchen und Jungen unter fünf Jahren sind unterernährt und könnten in diesem Jahr sterben, wenn sie keine Hilfe bekommen.Foto: Mohammed Hamoud
Wirksame Hilfe der Caritas
Die Arbeit der Caritas im Jemen hat das Ziel, einigen der ärmsten Jeminitinnen und Jeminiten wieder eine Zukunft zu geben.
- Kurzfristig durch Bargeldverteilungen und die Schaffung von Möglichkeiten, durch kleinere Arbeiten ein Einkommen zu erwirtschaften.
- Mittelfristig durch die Aus- und Weiterbildung von jungen Menschen zu medizinischen Fachkräften, wodurch auch das Gesundheitssystem gestärkt wird.
- Langfristig, indem die Ausbildungsstätten ihre Lehrpläne an die aktuellen Bedarfe der Arbeitgeber in den Gesundheitszentren anpassen. Die Caritas unterstützt diesen Prozess.
Bis Anfang 2021 konnten insgesamt 133 Teilnehmende ihre Ausbildung erfolgreich abschließen, Zweidrittel davon sind Frauen. Und es konnten 102 Personen erfolgreich in ein Beschäftigtenverhältnis vermittelt werden, die Hälfte von ihnen wiederum Frauen.
Ausbildungsprogramm für Jugendliche
Teilnehmende des Caritas Ausbildungsprogramms im Jemen. Sie erhalten eine berufliche Zukunft in ihrem Heimatland - und die Gesellschaft profitiert von mehr medizinischem Personal.Foto: CRS
Das Gesundheitssystem im Jemen funktioniert kaum. Knapp 20 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig sind unzählige Jugendliche arbeitslos aufgrund mangelnder Bildung.
Das Projekt der Caritas versucht, beide Probleme zu einer Lösung zusammenzuführen: Ein Ausbildungsprogramm für 220 Jugendliche bis 2020 und weitere 150 junge Erwachsene ab 2021 ermöglicht Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen, ihren Personalbedarf besser zu decken und damit, Humanitäre Hilfe zu leisten. Die Jugendlichen wiederum bekommen eine fundierte Ausbildung und eine realistische Chance auf eine berufliche Zukunft in dem ansonsten so chancenarmen Land. Da die Einkommensmöglichkeiten für Frauen im Jemen besonders schwierig sind, wird auf eine ausgewogene Verteilung der Geschlechter bei diesem Programm stets geachtet.
Caritas international setzt das Projekt gemeinsam mit ihren US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen von Catholic Relief Services (CRS) sowie der Partnerorganisation Education For Employment (EFE) um.
Bargeldverteilungen und "Cash-for-Work"
Wer sich und womöglich eine Familie ernähren will, ist auf ein Einkommen angewiesen. Doch in den vielen Flüchtlingscamps für die über zwei Millionen Kriegsvertriebenen im Jemen haben die Menschen selten eine Einkommensmöglichkeit. Viele Familien hungern. Dabei gibt es vielerorts nach wie vor funktionierende Märkte. Doch die Preise für Nahrungsmittel und Medizin steigen und selbst Grundnahrungsmittel sind für viele Jeminitinnen und Jeminiten nicht mehr zu bezahlen. Um die lokalen Märkte nicht zu zerstören und damit noch mehr Menschen in die Armut zu treiben, haben sich Caritas international und ihre Projektpartner, die Diakonie Katastrophenhilfe und die lokale Organisation BFD (Building Foundation for Development), dazu entschieden, keine Nahrungsmittel zu verteilen. Stattdessen erhalten die Familien Bargeld, um auf den heimischen Märkten selbst das einkaufen zu können, was sie dringend benötigen.
Immer wieder braucht die Caritas bei der Umsetzung der Projekte lokale Unterstützung durch einheimische Arbeitskräfte. Angehörigen von besonders armen Familien wird daher angeboten, sich durch die Mitarbeit in sogenannten "Cash for Work"-Projekten ein Einkommen zu verdienen.
Dieses Einkommen wie auch die Bargeldverteilungen sind so bemessen, dass die Menschen die Grundversorgung ihrer Familien gut bewältigen können. Die Bargeldverteilungen mussten aufgrund der Corona-Pandemie pausieren, eine Weiterführung steht aber kurz bevor.
Zur Situation
Mehr als 100.000 Menschen wurden bislang in dem Konflikt getötet. Wie viele Menschen durch Hunger und die schlechte medizinische Versorgung starben, ist kaum abzuschätzen. Um dieses stille Sterben in einem Konflikt einzudämmen, dessen ende kaum absehbar ist, leistet Caritas international Nothilfe und bildet medizinisches Personal aus.
Gesundheitsversorgung - ein knappes Gut
Das Gesundheitssystem im Jemen funktioniert nur marginal - nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen ist voll funktionsfähig. Zu den Herausforderungen im Gesundheitswesen gehört der Mangel an qualifiziertem medizinischem Personal sowie an Medikamenten und medizinischen Geräten. Zudem sind laut Vereinten Nationen die Kapazitäten für Prävention und Bekämpfung von Epidemien unzureichend, vor allem bei Cholera. Es mangelt an sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, angemessenem Fallmanagement und Impfungen.
Auf dem Arbeitsmarkt sieht die Lage ebenfalls verheerend aus. Er stand bereits vor dem Konflikt vor strukturellen Herausforderungen: Die Unfähigkeit der Wirtschaft, genügend Arbeitsplätze zu kreieren, um einer wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden, der Mangel an relevanten Kenntnissen der Jugendlichen und die geringe Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen. Nach Schätzungen der Weltbank aus dem Jahr 2018 sind Jugendliche im Jemen doppelt so oft arbeitslos wie Erwachsene. Bis zu 26 Prozent der jungen Bevölkerung sind weder in den Arbeitsmarkt integriert noch in der Lage, kurzfristig in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Die Arbeitslosigkeit junger Frauen lag 2018 bei fast 40 Prozent. Jemen hat eine der niedrigsten Erwerbsquoten von Frauen weltweit, mehr als neun von zehn Frauen nehmen nicht am Wirtschaftsleben teil. Damit nimmt Jemen den letzten Platz im Global Gender Gap Index 2017 ein.
Die Arbeit der Caritas im Jemen versucht, Antworten auf diese Probleme zu finden und den Menschen trotz der schwierigen Sicherheitslage zur Seite zu stehen.