Syrien: Zehn Jahre Krieg
Die bittere Bilanz des Krieges: 500.000 Tote und 13 Millionen Menschen auf der Flucht. Heute, zehn Jahre nach den ersten Schüssen, fallen zum Glück nur noch wenige Bomben. Doch gekämpft wird immer noch täglich. Das Land steht mittlerweile vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, die Preise für Lebensmittel schnellen in die Höhe. Brot, Strom, Medizin und Treibstoff sind Mangelware. Den Menschen droht die Kraft auszugehen, der Mehrheit geht es so schlecht wie nie zuvor. Für die Mitarbeitenden der Caritas und ihre Partner vor Ort heißt das: Jetzt bloß nicht nachlassen.
Hilfe im Wandel
Die Caritas stand den Betroffenen des Bürgerkriegs von Anfang an zur Seite und leistet seit nunmehr einem Jahrzehnt Hilfe in Syrien. Die Hilfsmaßnahmen waren stets der Situation vor Ort angepasst: Während der jahrelangen Kämpfe umfasste die Unterstützung vor allem die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln, Unterkünften, Mietzuschüssen, Medikamenten oder die Übernahme von Kosten für Operationen und Lebensmittel.
Vielerorts ist diese Form der akuten Nothilfe nach wie vor notwendig, denn noch immer leben zahlreiche Syrerinnen und Syrer in Ruinen und von der sprichwörtlichen Hand in den Mund. So verteilt die Caritas auch heute noch Nahrungsmittel und Hygieneartikel an verschiedenen Standorten in Aleppo. In Hassaké erfolgt die Unterstützung in Form von Bargeldhilfen - so können die Betroffenen selber entscheiden, welche Güter sie am dringendsten benötigen.
Mit dem Nachlassen der Kämpfe rücken aber auch andere Formen der Hilfen in den Vordergrund: So engagieren sich Caritas international und ihre lokalen Partner mittlerweile verstärkt im Bildungsbereich und in der psychosozialen Hilfe. Im Zentrum steht auch hier die Unterstützung für diejenigen, die sich am wenigsten aus eigener Kraft helfen können: Alte und kranke Menschen, Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderung.
Die aktuellen Hilfen von Caritas international und ihrer lokalen Partner in Syrien.Grafik: Caritas international
Hoffnung und Zukunft für Kinder
Zehnjährige Kinder in Syrien kennen kein Leben ohne Krieg. Viele von ihnen werden wohl ihr Leben lang an seinen Folgen leiden. Ob sie die Bilder von einstürzenden Gebäuden, Toten und Verletzten je wieder loslassen? Hinzu kommen oftmals traumatische Erlebnisse während der Flucht.
An ein "normales" Leben ist für sie gegenwärtig kaum zu denken. Viele Schulen sind zerstört, qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer sind kaum noch vor Ort. Der Wiederaufbau der sozialen Strukturen hat erst begonnen und wird lange Jahre dauern. Viele Kinder wachsen in einem Umfeld aus Verzweiflung, Misstrauen und Hoffnungslosigkeit auf. Selbst das Spielen mit Freunden ist gefährlich, denn unter den Trümmern liegt noch Munition. Freizeitangebote sind rar. Deshalb legt die Caritas einen Schwerpunkt auf die Arbeit mit Kindern. Bildungs- und Freizeitaktivitäten gekoppelt mit psychosozialer Unterstützung stehen hierbei im Vordergrund.
Keines der Kinder auf dem Bild kennt seine Heimat ohne Krieg. Auf die Hilfen der Caritas Syrien konnten sie sich jedoch ihr gesamtes Leben verlassen.Foto: Carlos Rayess / Caritas Syrien
Um die Entwicklung und Selbstständigkeit von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung zu stärken, unterstützt Caritas international in Homs zwei Förderzentren erfahrener Partnerorganisationen. Sozialarbeitende, Psychologinnen und Therapeuten begleiten und fördern die Kinder auf ihrem Weg in eine selbstbestimmtere Zukunft. Kinder mit körperlicher Einschränkung erhalten Physiotherapie, ihre Eltern werden in der gezielten Förderung ihrer Kinder geschult. Ein Tageszentrum fördert Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom, Autismus und Entwicklungsverzögerungen. Über spielerisches Lernen werden dort die Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein der Kinder gestärkt.
Corona ist eine zusätzliche Herausforderung
Die weltweite Corona-Pandemie stellt die Menschen vor eine zusätzliche Herausforderung. Doch die Sorge, nichts zu essen zu haben, ist oftmals drängender als die Angst vor dem Virus. Auch deshalb kann das Virus fast ungehindert grassieren. Es trifft auf geschwächte Menschen, die weitgehend ohne medizinische Infrastruktur auskommen müssen - nur etwa die Hälfte aller Krankenhäuser in Syrien sind voll einsatzfähig. Für die Syrerinnen und Syrer sind die Nachrichten von derAusbreitung des Virus echte Hiobsbotschaften. Die Arbeit der Caritas musste an die Bedingungen der Pandemie angepasst werden - eine Herausforderung, die die Mitarbeitenden der Partner vor Ort jedoch kreativ und schnell bewältigen konnten. Ein Beispiel: Statt die Lebensmittel an zentralen Stellen zu verteilen und in dichten Menschenansammlungen die Verbreitung des Virus zu begünstigen, verteilte die Caritas in Aleppo phasenweise die Lebensmittel von Tür zu Tür.
Zehn Jahre Krieg - auch für die Caritas eine besondere Situation
Für Caritas international ist die Situation in Syrien außergewöhnlich. Für kaum eine andere humanitäre Hilfe hat der Deutsche Caritasverband in seiner hundertjährigen Geschichte der Auslandsarbeit so viel Geld ausgegeben: Mit insgesamt 70 Millionen Euro konnten wir zahlreichen Menschen das Leben retten und ihre Situation verbessern. Eine Hilfe, die ohne die Unterstützung der Spenderinnen und Spender nicht möglich gewesen wäre und die erst dann beendet wird, wenn sie nicht mehr gebraucht wird.
Zur Situation
Nach 10 Jahren Krieg liegt ein Großteil des Landes in Schutt und Asche. Über 13 Millionen Menschen sind auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Medizinische Einrichtungen und Infrastruktur sind oftmals zerstört oder stark beschädigt. Jede fünfte Schule wurde zerstört, viele qualifizierte Lehrkräfte haben das Land verlassen, so dass es zu massiven Rückschritten im Bildungsbereich gekommen ist. Die Krise hat zu massiven Flüchtlingsbewegungen, großflächiger Zerstörung und Kontaminierung von landwirtschaftlichen Flächen geführt. Wertschöpfungsketten, industrielle Anlagen und viele Güter wurden massiv beschädigt. Stark gestiegene Schulden tragen ebenfalls zum wirtschaftlichen Niedergang bei. All das führt zur Zerstörung der Lebensgrundlagen und damit zur sozio-ökonomischen Not der Menschen.