Kinder an der Front
Spätestens, seitdem die Kinderrechtskonvention der UN mit einem Zusatzprotokoll im Jahr 2002 die Rekrutierung Minderjähriger geächtet hat, sollte man davon ausgehen können, dass damit ein großer Schritt in Richtung Kinderrechte unternommen wurde (unterzeichnet von 130 Staaten, Stand Januar 2019). Doch weit gefehlt: Weder führen die Organe der Vereinten Nationen scharfe oder ausreichende Kontrollen und Sanktionen durch. Auch werden die Vereinbarungen, was genau Kindersoldaten sind, unterschiedlich ausgelegt.
So verbietet die Konvention zwar die Zwangsrekrutierung von Kindern, lässt aber zu, dass sich Fünfzehnjährige freiwillig an Kriegen beteiligen. Und auch in Deutschland liegt das Mindestalter für die Rekrutierung in die Bundeswehr mit 17 Jahren noch vor der Erlangung der Volljährigkeit.
Kinder im Kriegsdienst - ein Verbrechen
Vielfach werden Kinder verschleppt und gezwungen zu kämpfen. Sie werden zur Minensuche vorgeschicht, als Vorhut und Spione. Ein großer Teil wird mit einfachen Mitteln verführt: Das Versprechen von Abenteuer, die Faszination von Stärke und Macht, die Fantasie, zum Helden und Retter zu werden - Kinder und Jugendliche sind einfach zu beeinflussen. So werden in den Jugendsommercamps der Hamas im Gazastreifen jährlich tausende Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren an der Waffe zum Mudschahedin ausgebildet. Es ist das beste Alter, Jugendlichen eine militarisierte Ideologie einzuimpfen. Dieselben Methoden werden in der Ukraine von beiden Seiten des Konflikts angewendet, wie auch in Syrien, in Afghanistan, im Kongo und weiteren Ländern.
So berichtet der Sechzehnjährige Jon Kabite (Name von der Red. geändert), ein ehemaliger Kindersoldat in einem Caritasprojekt im Kongo: "Ich bin mit den Soldaten gezogen, weil ich ein Mann sein wollte, ich hatte immer davon geträumt, eine Waffe zu tragen, ein Mann zu sein."
Die steigende Zahl von Kindersoldaten ist aber auch der Zunahme von sogenannten asymmetrischen Kriegen geschuldet: Bürgerkriegen oder Kämpfen zwischen Rebellen und einem Staat oder Milizen von Kriegsfürsten. Zum Einsatz kommen in erster Linie Kleinwaffen wie Maschinenpistolen und Maschinengewehre, die auch von Kindern leicht bedient werden können. Und in diesem Wirtschaftszweig spielt Deutschland in der ersten Liga mit.
Auf diese Mitverantwortung weisen jährlich Aktionen und Veranstaltungen am sogenannten "Red Hand Day" hin. Unter dem Motto: "Keine Waffen in Kinderhände - Waffenexporte stoppen!" findet am 12. Februar der Aktionstag gegen den Einsatz von Kindersoldaten statt. Gefordert wird unter anderem der sofortige Stopp deutscher Rüstungsexporte, insbesondere in Krisengebiete, in denen Kindersoldaten eingesetzt werden. Deutschland ist besonders in der Pflicht, es ist weltweit der drittgrößte Waffenexporteur.
Keine Rekrutierung von Kindern!
Neben der UN-Kinderrechtskonvention und dem Zusatzprotokoll "Kinder in bewaffneten Konflikten" [ hier ] wurden in den letzten Jahren wichtige Maßstäbe gegen die Rekrutierung von Kindern durchgesetzt. Dazu zählen:
- die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, der unter anderem die Rekrutierung von Kindern als Kriegsverbrechen verfolgt
- die Benennung eines Sonderbeauftragten der UN für Kinder in bewaffneten Konflikten und die Einrichtung eines Monitoring- und Berichtsverfahrens
- eine Diskussion zur Situation der Kinder bei Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates bei Friedensmissionen und Friedensvereinbarungen
Caritas international, Januar 2019
Zur Situation
Im Jahr 2017 wurden in mindestens 19 Ländern Kinder als Soldaten eingesetzt. In Lateinamerika in Kolumbien, in Afrika in Mali, Nigeria, Libyen, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Südsudan, Demokratische Republik Kongo, Somalia, in Asien im Jemen, Syrien, Israel/Palästina, Libanon, Irak, Afghanistan, Pakistan, Indien, Myanmar (Burma), Philippinen. Quelle: Bericht des UN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten.
In folgenden Regionen sind in den letzten Jahren vermehrt erneut Kinder zwangsrekrutiert worden:
Die Bürgerkriegsparteien im Jemen haben Erkenntnissen der Vereinten Nationen zufolge Hunderte Kinder als Soldaten rekrutiert. Allein bis 2017 waren mehr al 1.700 Kinder sind betroffen.
Seit Beginn der Eskalation in Nordnigeria sind mehr als 8.000 Jungen und Mädchen zum Dienst an der Waffe und zu Gewalttaten gezwungen worden - zum Großteil durch die Terrormiliz Boko Haram. Insbesondere Mädchen wurden gezwungen, sich als Selbstmordattentäter in die Luft zu sprengen. Auch die gegen Boko Haram kämpfenden Bürgerwehren rekrutierten Kinder.
In Syrien werden tausende von Kindern als Soldaten und Soldatinnen missbraucht, die meisten vom Islamischen Staat. Doch stellenweise bedienen sich auch die Freie Syrische Armee und kurdische Einheiten sowie Pro-Assad-Gruppen der Kinder für ihre Dienste.
Die Miliz Al-Shabaab in Somalia hat derzeit laut rund 2.500 Kinder rekrutiert. Auch der Krieg in Jemen hat dazu gefüht, dass Kinder entführt und für Kriegsdienste eingesetzt wurden. Hnzu kommt der sexuelle Missbrauch von Kindern in Konfliktregionen wie Südsudan, Zentralafrikanische Repubik und der Region Kasai in DRKongo.