Deutschland: Im Mittelpunkt der Arbeit steht der Mensch
Ein Ortsbesuch im Ahrtal im vergangenen Sommer: Nach Größe sortiert stapeln sich kleine und große Äste, kleinere entwurzelte Bäume und große Baumstämme zu mehreren gigantischen Haufen. Eine Ortschaft weiter sieht man ähnlich gut sortierte Schutthalden - Steine und Betonbrocken, ebenfalls nach Größe aufgehäuft. Die nach Größe sortierten Geröllberge wirken schon beinahe sinnbildlich, denn auf den ersten Blick wirkt das Ahrtal außergewöhnlich aufgeräumt. "Typisch deutsch" ist man geneigt zu denken. Die Straßen sind gefegt, überall wird gehämmert, verputzt oder gestrichen. Blumenbeete sind angelegt. Behelfsbrücken führen über die Ahr, die scheinbar harmlos dahinplätschert.
Doch es lohnt sich, einen zweiten Blick auf das Straßenbild zu werfen. Wo ist die nächste Bäckerei? Ein Supermarkt? Fehlanzeige. Wo sind Dienstleister wie ein Optiker, Schuhgeschäfte oder Tankstellen? Ganz zu schweigen von Restaurants, Cafés oder Freizeitmöglichkeiten. "Es ist aufgeräumt, aber es sind vielleicht gerade fünf bis zehn Prozent des Zerstörten wieder aufgebaut", sagt Christiane Böttcher, Fachbereichsleiterin der Familienunterstützenden Dienste der Caritas Ahrweiler.
Idylle pur? Das Örtchen Dernau im Ahrtal ist aufgeräumt. Doch das Bild ist trügerisch. Wie beinahe alle betroffenen Orte ist Dernau noch weit von der Normalität entfernt.Foto: Annette Etges / Caritas international
Die Fenster vieler Erdgeschosswohnungen sind mit Brettern vernagelt, wer doch einen Blick hineinwerfen kann, sieht Schlamm, Schutt und aufgeweichte Wände. "Nicht Abreißen" steht an einigen Hausfassaden mit Graffiti, andere sind nicht mehr zu retten - zu beschädigt ist die Bausubstanz. Schulen und Kindergärten sind umquartiert, kleine Containersiedlungen sprießen überall aus dem Boden und dienen als Übergangsunterkunft für diejenigen, deren Zuhause nicht mehr existiert.
Ein Besuch im Ahrtal, der am stärksten, doch bei weitem nicht alleine betroffenen Flutregion, zeigt gut, wie viel bereits geschafft wurde - aber auch, wie viel noch vor den Menschen liegt. Im Gespräch wird schnell klar: Hier gibt niemand auf. Was die Flut genommen hat, wird wieder aufgebaut. Neben Steinen und Mörtel braucht dies vor allem Kraft - körperlich, aber auch mental.
Deutschlandflut – das ist bislang geschehen


- Die Caritas hilft in allen fünf Diözesen, die von der Flut betroffen sind: Aachen, Essen, Köln, Paderborn, Trier.
- Caritas international hat 49,9 Millionen Euro an Spendengeldern erhalten.
- hochqualifizierte Caritas-Fachpersonal berät die Betroffenen in 25 Caritas-Fluthilfebüros (eine Karte und die Kontaktdaten aller Fluthilfebüros finden Sie hier).
Unter anderem wurden
- Soforthilfen an 5.800 Haushalte ausgezahlt
- Einrichtungsbeihilfen an 4.300 Haushalte ausgezahlt
- 4.300 psychosoziale Beratungsgespräche geführt
- 200 Baufachberatungsgespräche geführt
- 6.400 Menschen im Rahmen von Sonderprogrammen (z.B. Mutter-Kind-Kuren, Erholungsurlaube, etc.) unterstützt
- 266 Bautrockner an Betroffene verliehen, um Wasserschäden zu bekämpfen.
Mindestens 25 Millionen Euro stehen für den Wiederaufbau sowie die Sozialraumarbeit der nächsten Jahre in den Flutgebieten bereit.
Caritas-Hilfen nah am Menschen
Die Caritas stand den Menschen von Anfang an zur Seite und versucht ihnen die Kraft und die Mittel zu geben, den Neustart anzugehen. 25 Fluthilfebüros wurden eröffnet (zur Übersicht). Tausende Haushalte erhielten Soforthilfen, um die Tage und Wochen nach der Katastrophe zu überstehen und sich mit den nötigsten Haushaltsmitteln einzudecken. In individuellen Beratungsgesprächen wurde mit den Betroffenen ihre Situation und die Optionen besprochen und Anträge an Versicherungen oder für staatliche Förderung geprüft. Bautrockner der Caritas trockneten unterdessen die durchnässten Wände der überfluteten Häuser.
Ein weiterer Fokus der Caritas-Hilfen im ersten Jahr: Die psychische Gesundheit der Betroffenen. So wurden über 4.300 psychosoziale Beratungsgespräche geführt, Erholungsurlaube beantragt, Mutter-Kind-Kuren und Freizeiten organisiert und vieles mehr. Es lässt sich festhalten: Im ersten Jahr nach der Katastrophe sind die betroffenen Caritasverbände in den Diözesen Aachen, Essen, Köln, Paderborn, Trier über sich hinausgewachsen.
Eine große Stärke der Caritas im gesamten Flutgebiet: Sich Zeit nehmen, zuhören und auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Im Bild ein Beratungsgespräch einer Mitarbeiterin der Caritas Ahrweiler.Foto: Annette Etges / Caritas international
In der nächsten Phase rückt der Wiederaufbau in den Fokus
Die Caritas hilft den Menschen in den Flutgebieten langfristig und nachhaltig. In den nächsten Monaten und Jahren werden die zahlreichen Mitarbeiter_innen der Caritas die Betroffenen vor allem beim Wiederaufbau unterstützen. 200 Baufachberatungen haben bereits stattgefunden, die Auszahlung der Wiederaufbauhilfen für den Aufbau von privatem Wohnraum beginnt. Dass dies erst ein Jahr nach der Katastrophe passiert, hat einen einfachen Grund: Das "Prinzip der Nachrangigkeit" besagt, dass Hilfsorganisationen erst dann Gelder für den Wiederaufbau bereitstellen dürfen, wenn Staats- und Versicherungsleistungen geklärt sind.
Ein weiteres Ziel der Caritas: gemeinsam mit den Menschen den zerstörten Sozialraum nachhaltig wiederzubeleben. Das ist für viele Gemeinden ohnehin eine große Herausforderung. Hierzu braucht es Begegnungsräume und Orte für Austausch. So wird die Einsamkeit, unter der viele Menschen leiden, bekämpft, um die Gesellschaft wieder näher zusammenrücken zu lassen. Orte für Austausch können Mittagstische, Cafés, Waschsalons und vieles mehr sein. Die Caritas geht dabei auch ungewöhnliche Wege, installiert beispielsweise Beratungsstellen auf Campingplätzen oder finanziert Menschen ein Hobby, wenn es der Traumabewältigung dient. Und sie nimmt diejenigen in den Fokus, deren Stimme sonst vielleicht nicht laut genug wäre - beispielsweise durch Angebote von traumapädagogischem Kinderyoga oder psychologische Begleitung retraumatisierter Kriegsflüchtlinge.
Eine der großen Aufgaben für die nächsten Monate und Jahre: "Sozialraum" schaffen. Hier ein Spielplatz in Ahrweiler.Foto: Marijn Fidder / Caritas international
Die Fluthilfe der Caritas ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Solidarität in Deutschland und die Unterstützung der Caritasarbeit durch beinahe 50 Millionen Euro an Spendengeldern ermöglichen es den Fluthilfeteams, noch bis mindestens Mitte 2024 an der Seite der Menschen zu bleiben. Dafür danken wir allen Spenderinnen und Spendern von Herzen.