Das Wasser ist längst verschwunden. Auch Schlamm, Schutt und die Trümmer sind größtenteils aufgeräumt. Und dennoch bleibt die Situation nach wie vor angespannt: Der Wiederaufbau braucht Zeit, in vielen Orten herrscht noch lange kein Alltag. Viele Menschen können ihre Häuser noch nicht wieder bewohnen, die Innenstädte sind nach wie vor leer. Cafés und Restaurants gibt es vielerorts (vorerst) keine mehr.
Für die Mitarbeitenden der betroffenen Caritasverbände der Diözesen Aachen, Essen, Köln, Paderborn und Trier bleibt daher keine Zeit zum Durchatmen: Es ist an der Zeit, kreativ zu werden und maßgeschneiderte Angebote zu entwickeln - jetzt, nachdem das Wasser längst weg ist, die Schäden aber noch lange bleiben werden, teils für immer. Unsere Reportagen und Interviews zeigen, wie die Caritas vor Ort mit jahrzehntelanger fachlicher Expertise langfristig Hilfe leistet.
Wiederaufbau löst akute Nothilfe ab
Silvia Plum ist Flutkoordinatorin der Caritas in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie sucht den Kontakt mit den Menschen in den Katastrophengebieten und arbeitet daran, ihnen ihre Handlungsfähigkeit zurückzugeben.Foto: Philipp Spalek / Caritas international
Die Hilfe der Caritas passt sich stets an die Situation vor Ort an. Während in den ersten Stunden, Tagen und Wochen nach der Katastrophe der Fokus auf akuter Nothilfe - also auf der Verteilung von dringend benötigten Hilfsgütern - lag, plant die Caritas nun den Wiederaufbau. Dazu haben die Caritasverbände eigens neue Strukturen geschaffen. Fluthilfebüros wurden eröffnet und Fluthilfekoordinatoren betreuen Teams, die vor Ort von Tür zu Tür die Betroffenen aufsuchen und über die Hilfsangebote der Caritas informieren.
Diese Angebote beinhalten beispielsweise die Auszahlung von Haushaltsbeihilfen zur Wiederbeschaffung von Hausrat und persönlichem Bedarf. Die Haushaltshilfen umfassen bis zu 1.000 Euro pro Haushalt. Betroffene können über die Caritas weitere Zusatzunterstützung von bis zu 5.000 Euro pro Haushalt beantragen, um neben Trocknern, Pumpen und anderen Geräten auch Stromkostenzuschüsse, Reinigungsarbeiten, Werkzeuge und weitere Utensilien bezahlen zu können.
Rein materielle Hilfe reicht nicht aus
Neben der Behebung der materiellen Schäden ist es der Caritas ein besonderes Anliegen, die seelischen Leiden der Betroffenen zu lindern. Psychosoziale Unterstützung ist unabdingbar und seit Jahrzehnten ein elementarer Bestandteil der Katastrophenhilfe von Caritas international. Überall haben die Menschen Bedarf über das Erlebte zu sprechen. Manche können nicht mehr gut schlafen oder verstörende, belastende Bilder tauchen immer wieder auf. Magen-Darm-Beschwerden, Herzklopfen oder körperliche Spannungsgefühle können die Folge sein. "Das Erlebte muss aufgearbeitet werden. Die Menschen brauchen professionelle psychosoziale Unterstützung, die wir geben können", betont Silvia Plum von der Caritas in Bad Neuenahr-Ahrweiler. "Es kann bereits helfen, den Menschen zu erklären, dass das ganz normal ist."
Bei einem Großteil der Betroffenen würden Belastungen innerhalb von Tagen und Wochen wie von selbst verschwinden, macht Silvia Plum Mut. Anderseits kann es sein, dass Symptome bestehen bleiben und sich sogar verschlimmern. "Wegen dieser sogenannten ‚Traumafolgestörungen‘ bleiben wir mit den Betroffenen in Kontakt. Es geht darum, dem Menschen Orientierung zu vermitteln und ihm Planungs-, Entscheidungs- und Bewältigungshilfen an die Hand zu geben. Diese Hilfen sind individuell. Unsere Beraterinnen nutzen die persönlichen und sozialen Bewältigungsressourcen, die bei jedem einzelnen sehr unterschiedlich sind." Dank ihrer therapeutischen Ausbildung und langjährigen Erfahrungen steht den Caritas-Mitarbeiterinnen ein breites Repertoire an Interventionen zur Verfügung.
Caritas Mitarbeiterin Birgit Junctorius in einem Beratungsgespräch zur Hilfe der Caritas. Auch mobile Teams sind unterwegs, um Betroffene der Flutkatastrophe zu beraten.
Foto: Philipp Spalek / Caritas international
Das soziale Miteinander im Blick behalten
Eine Naturkatastrophe solchen Ausmaßes zerstört nicht nur Wohnraum und Infrastruktur, sondern betrifft auch immer das Miteinander der Menschen. Treffpunkte wie Cafés, Spielplätze oder Angebote für Senioren oder einkommensschwache Familien sind ebenfalls zerstört. Viele – vor allem jüngere – Bewohner_innen ziehen weg, und das Sozialgefüge eines Dorfs, einer Stadt oder auch einer ganzen Region verändert sich. Daher beinhaltet die Arbeit der Caritas auch sogenannte "sozialräumliche Projekte", die den Aufbau von gemeinschaftlichen, sozialen Diensten in den Blick nehmen. Hierzu gehört beispielsweise die Bereitstellung diverser Begegnungsorte oder die Organisation von Familienfreizeiten, die den Kindern in den bevorstehenden Ferien Abstand von den Erlebnissen dieses Sommers ermöglichen. Erfahrungsgemäß werden sozialräumliche Projekte mit fortschreitender Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Wieso dauert es teilweise so lange, bis die Spendengelder bei den Betroffenen ankommen?
Die Arbeit der Caritas wird durch eine große Spendenbereitschaft in der deutschen Bevölkerung ermöglicht. Rund 45 Millionen Euro sind auf dem Spendenkonto von Caritas international eingegangen. Mindestens drei bis fünf Jahre wird es dauern, bis die daraus finanzierten Projekte abgeschlossen sein werden. Doch wieso dauert es so lange, wo doch so viele Menschen auf Hilfe angewiesen sind? "Beim Wiederaufbau gilt das Prinzip der Nachrangigkeit. Als erstes muss - falls vorhanden - die Versicherung den Schadensfall prüfen. Was sie nicht zahlt, übernimmt der Staat, allerdings meist nur zu 80 Prozent. Erst dann dürfen Spenden zum Einsatz kommen. Würde die Caritas beispielsweise jetzt beginnen, Heizungsanlagen zu bauen, nähme sie die Versicherungen und auch den Staat aus der Pflicht. Das wäre sicherlich nicht im Sinne unserer Spenderinnen und Spender. Die Nachrangigkeit macht also Sinn. Allerdings führt sie auch zu Verzögerungen, die für die Betroffenen - verständlicherweise - nur sehr schwer auszuhalten sind", erklärt Gernot Krauß die Vorgehensweise.
Es wird Zeit brauchen, die Katastrophe vom Juli 2021 vollends zu bewältigen. Vergessen machen kann auch die Caritas die Katastrophe nicht. Denn selbst wenn der Schutt beiseite geräumt, Stromleitungen instandgesetzt, Straßen saniert und Häuser wieder aufgebaut worden sind, werden die Ereignisse dieses Sommers im kollektiven Gedächtnis der Betroffenen bleiben. Als Caritas können wir aber - dank der zahlreichen Spenden und dank des Einsatzes der Caritas-Mitarbeitenden vor Ort - dabei helfen, dass der Schrecken nach und nach neuer Zuversicht weicht.
Private Sachspenden
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir derzeit keine privaten Sachspenden annehmen können. Der logistische Aufwand, einzelne Sachspenden anzunehmen, zu transportieren und zu verteilen, ist sehr hoch. Sachspenden benötigen große Lagerkapazitäten und eine zeitintensive Koordination für sinnvolle Verteilung. Ihre Geldspende aber ermöglicht den Helferinnen und Helfern vor Ort, schnelle Hilfe zu leisten.
Herzlichen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft!