Ihre Fragen zu dem Konflikt in Palästina und Israel
Wie schätzt Caritas international die Lage der Menschen in Gaza ein?
Caritas international begrüßt ausdrücklich die seit dem 19. Januar 2025 für sechs Wochen vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Auch wenn seit Inkrafttreten der Waffenruhe täglich ca. 600 LKW mit internationalen Hilfslieferungen die Bevölkerung in Gaza erreichen, bleibt die humanitäre Lage weiterhin dramatisch. Insgesamt sind nach wie vor mehr als 2,1 Mio. Menschen in einem schweren Ausmaß von Hunger, Mangel- und Unterernährung betroffen.
Auch die hygienischen Bedingungen sind katastrophal. Mancherorts teilen sich Hunderte von Menschen eine Toilette oder Dusche, die Gefahr von Seuchen ist groß. Es fehlt an Wasser, Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten, Zelten, Decken sowie an Schutz vor Kälte und Niederschlag.
Im Vergleich zu ähnlichen humanitären Katastrophen ist das Spendenaufkommen bislang noch gering. Aufgrund der mit der Waffenruhe einhergehenden besseren Planbarkeit der Hilfslieferungen und der sichereren Rahmenbedingungen zur Verteilung der Güter hofft Caritas international auf eine nun deutlich steigende Spendenbereitschaft.
Sind Helferinnen und Helfer von Caritas international vor Ort?
Caritas international arbeitet nach dem Partnerprinzip, so auch in der aktuellen Situation in Gaza. Zu unseren derzeit tätigen Partnerorganisationen gehören Missionaries of Charity (Mutter Theresa Schwestern), Juzoor und Catholic Relief Services (CRS), mit denen uns eine langjährige Zusammenarbeit verbindet.
Die Mitarbeitenden unserer Partnerorganisationen leben selbst im Krisengebiet und tun ihr Möglichstes, um die Menschen zu versorgen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind - darunter auch Menschen mit Behinderung, die nicht evakuiert werden können. Die Mitarbeitenden vor Ort und ihre Familien sind ebenso unmittelbar betroffen: Sie mussten mehrfach umziehen, die meisten haben Angehörige verloren und sind ständig hohen Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Dennoch setzen viele der rund 60 Mitarbeitenden von CRS ihre Arbeit auf bewundernswerte Weise fort.
Wie sehen die aktuell möglichen Hilfen konkret aus?
Mit ihren Partnerorganisationen in Gaza steht Caritas international täglich im Austausch. Dank der CRS-Hilfskonvois konnten seit November 2023 - trotz des erschwerten Zugangs zum Krisengebiet - dringend benötigte Güter wie Matratzen, Decken, Zelte, Regenplanen und Nahrungsmittelpakete zu den Menschen in Gaza gebracht werden. Dazu kommt aktuell ein sehr großer Bedarf an Treibstoff, um Notstromaggregate für Krankenhäuser sowie Einrichtungen zur Gesundheitsvorsorge und Wasserversorgung überhaupt betreiben zu können.
Die Mitarbeitenden von CRS haben sich wochenlang auf eine mögliche Waffenruhe vorbereitet und die Warenlager in Ägypten und Jordanien sind entsprechend gut gefüllt.
Insgesamt konnten in den ersten drei Tagen der Waffenruhe ca. 2.400 LKW-Ladungen in den Gazastreifen gelangen, was dem entspricht, was zuvor in etwa einem Monat geleistet werden konnte.
Welche Mittel stellt Caritas international für die Hilfen in Gaza zur Verfügung?
Caritas international hatte innerhalb der ersten zwei Wochen 300.000 Euro für Nothilfen in Gaza bereitgestellt. Angesichts der dramatischen humanitären Lage in Gaza stockte Caritas international die Hilfen schnell auf. Insgesamt sind bisher fast drei Millionen Euro in die Nothilfe in Gaza geflossen. Aufgrund der humanitären Katastrophe werden weitere finanzielle Mittel dringend benötigt, weshalb Caritas international im Namen ihrer Partner zu weiteren Spenden aufruft.
Was konnte mit den Mitteln von Caritas international bisher bewirkt werden?
Solange es möglich war und die lokalen Märkte funktionierten, wurden Hilfen in Form von Mehrzweckgutscheinen, sogenannten Multi-Purpose-Vouchern, ausgegeben. Diese ermöglichten es Menschen in Not, sich bei lokalen Händlern selbst zu versorgen. Mit den Gutscheinen konnten die Menschen haltbare Lebensmittel (z. B. Mehl, Reis), Hygieneartikel und Haushaltswaren kaufen.
Nachdem die Vorräte im Handel vor Ort aufgebraucht waren und die ersten Grenzöffnungen in Rafah erfolgten, erreichten Hilfskonvois mit Decken, Matratzen, Zelten und Regenschutzplanen die Menschen im Gazastreifen. Außerdem konnten Essenspakete verteilt werden.
Die Hilfe unseres Partners CRS erreichten bisher über 190.000 Haushalte.
Wie stellen Sie sicher, dass Spenden und Hilfsgüter nicht in die Hände der Hamas fallen?
In Gaza stellen wir durch die langjährige Zusammenarbeit mit unseren lokalen und sehr erfahrenen Partnern Missionaries of Charity und Catholic Relief Services (CRS) sicher, dass die Hilfen nicht in die falschen Hände geraten. Wir können dank der Erfahrung sowie der hohen Qualitätsansprüche unserer Partnerorganisationen sicherstellen, dass unsere Hilfen ausschließlich an die notleidende Zivilbevölkerung verteilt werden. Da unsere Partner schon lange in Gaza aktiv sind, verfügen sie über Listen wirklich hilfsbedürftiger Menschen, die sich zuvor registrieren müssen.
Um ein Beispiel zu nennen: Trotz der äußerst angespannten Lage führte unser Partner CRS im Zuge des Qualitätsmanagements eine Überprüfung durch, wie und wofür die verteilten Gutscheine genutzt wurden.
Gerade aufgrund der aufgebauten und immer noch bestehenden Strukturen unserer Partnerorganisationen ist es Caritas international nach Beginn der Waffenruhe möglich, Hilfsgüter aus den Warenlagern in Ägypten und Jordanien nach Gaza zu transportieren und vor Ort direkt an Hilfsbedürftige zu verteilen.
Caritas International geht davon aus, dass Überfälle auf Hilfslieferungen - die oft ein Anzeichen extremer Not und Unsicherheit sind - durch die Waffenruhe zurückgehen. Eine planbare und gesicherte Versorgung mit Hilfslieferungen wird zu einer Beruhigung der Situation beitragen.
Wie kann die Caritas unter solchen Bedingungen "neutral" bleiben?
Als humanitäre Hilfsorganisation verpflichtet sich Caritas international den humanitären Prinzipien der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit. Unser Auftrag ist es Menschen in Not, gleich welcher Religion, Nationalität oder Herkunft Hilfe zu leisten.
Neutral zu sein, bedeutet nicht, den Entwicklungen gleichgültig gegenüberzustehen. Caritas international zeigt sich angesichts des Terror-Anschlags der Hamas auf israelische Zivilisten entsetzt. Unsere Gedanken sind bei den Menschen und Familien in Israel, die Angehörige verloren haben, Verletzte beklagen müssen oder um Menschen bangen, die von der Terrororganisation Hamas entführt worden sind. Gleichzeitig muss die Versorgung der bedürftigen Menschen in Gaza trotz der Kriegshandlungen sichergestellt werden. Caritas international setzt sich für Menschen in Not ein und sichert deren Überleben. Wir appellieren im Zuge der Verschärfung des Konflikts an alle Konfliktparteien das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Caritas international fordert deshalb alle Konfliktparteien zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf und ein sofortiges Ende der Gewalt in Israel, Gaza und der Westbank.
Kann Caritas international aktuell Hilfsgüter nach Gaza bringen und wie gelangen die Lieferungen dorthin?
Unsere Partner vor Ort können nach wie vor Hilfe leisten, unter extrem gefährlichen und äußerst schwierigen Bedingungen, und leider nicht in dem Umfang, wie wir wollten und könnten. CRS, eine unserer Partnerorganisationen, schafft LKW-Ladungen mit Hilfsgütern über die verfügbaren Grenzübergänge nach Gaza, v. a. Nahrungsmittel, Hygieneartikel, aber auch Decken und Planen. Dieser Prozess ist nach wie vor langwierig und beschwerlich, aber es ist möglich.