Corona trifft die Ärmsten weltweit am härtesten
Ihr Beitrag, um die Schwächsten weltweit in der Corona-Krise zu unterstützen:
Sorge um Ausbruch des Corona-Virus im Rohingya-Flüchtlingscamp
Welche Ängste und Befürchtungen haben Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen in der aktuellen Situation?
"Einhaltung von Abstand und Hygieneregeln ist nicht möglich"
Unsere größte Sorge ist, dass sich das Virus hier im Camp ausbreiten könnte. In Bangladesch wurden bisher 40 Corona-Infizierungen bestätigt, fünf Menschen sind durch die Erkrankung verstorben. Bisher gibt es noch keine verifizierten Covid19-Erkrankungen in den Camps in Cox’s Bazar. Aber das könnte sich jede Sekunde ändern. Die Folgen wären verheerend.
Fast eine Million Menschen leben in den Camps auf engstem Raum. Oft teilen sich drei bis fünf Personen einen Raum in den provisorischen Unterkünften. Die Einhaltung von Abstand und von Hygienevorschriften ist fast unmöglich. Die medizinische Versorgung vor Ort ist mehr als ungenügend - selbst für die lokale Bevölkerung. Zudem würden viele Menschen vermutlich gar nicht bemerken, wenn sie erkranken würden, denn es gibt keine Testmöglichkeiten auf Covid-19 in den Camps.
"Gerüchte und Aberglaube zum Coronavirus verbreiten sich aktuell wie ein Lauffeuer."
Grund für die Gerüchte ist, dass das Handynetzwerk in den Camps nach dem letzten Jahrestag der Vertreibung der Rohingya eingeschränkt wurde. Die Rohingya-Familien können sich in keiner Weise über das Coronavirus informieren. Zudem war es lange nicht gestattet, die Bevölkerung überhaupt über das Virus und Schutzmaßnahmen zu unterrichten. Die Unwissenheit verbreitet Panik im Camp.
Hinzu kommen Kommunikationsschwierigkeiten mit unseren Mitarbeitenden in den Camps, die wir in Notfällen nicht telefonisch erreichen können. Die Verwendung von Radiofrequenzen für NGOs wird weiterhin von der Regierung untersagt. Damit begeben sich auch unserer Caritas-Mitarbeiter in Gefahr.
Caritas international kann jedoch seit kurzem über ihre lokale Partnerorganisation, Caritas Bangladesch, erste Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen durchführen. Es wurden Plakate aufgehängt, Informationsrunden einberufen und Händewaschstationen eingerichtet.
Zur Aufklärung über Hygienemaßnahmen wurden Plakate aufgehängt, Mitarbeitende geschult und Informationsrunden eingerichtet. Händewachstationen wie diese werden von vielen Camp-Bewohnerinnen und -Bewohnern genutzt.Foto: Caritas Bangladesch
Ein Covid19-Ausbruch im Rohingya-Camp könnte weiter zu erneuter Stigmatisierung und Anfeindung führen. Die Regierung hat vor einiger Zeit begonnen Zäune um die Camps zu errichten. Damit könnte sie womöglich auch Camps abriegeln und eine adäquate medizinische Versorgung wäre dann noch mehr eingeschränkt.
Das Gesundheitssystem ist bereits jetzt am Limit.
Bangladesch ist aktuell nicht in der Lage einen großen Ausbruch des Virus zu bekämpfen und viele erkrankte Menschen medizinisch zu versorgen. Das Gesundheitssystem ist bereits jetzt am Limit. Wohlhabendere Bangladeschis sind jeher für medizinische Eingriffe nach Indien oder Thailand geflogen.
Wir können nur hoffen, dass die bisherigen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen greifen und damit Schlimmeres verhindert werden kann.
Was ändert sich in Ihrem privaten und beruflichen Alltag?
Ich hatte geplant, im Homeoffice zu arbeiten, muss jedoch jetzt auf Empfehlung der deutschen Botschaft ausreisen, solange noch Flüge zur Verfügung stehen.
Auch wenn wir bisher "nur" wenige Covid19-Fälle in Bangladesch haben, gehen wir von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus, da kaum jemand getestet wird und Quarantänemaßnahmen bisher sehr rigoros ausgelegt werden. Leider nehmen die meisten Leute das Virus noch nicht ernst.
Ich verfolge intensiv die Medienberichte aus Deutschland und Europa, da ich mich um Familie, Freunde und Arbeitskolleginnen sorge. Dadurch bin ich noch stärker sensibilisiert für die Gefahren des Virus und schränke mich in Bangladesch bereits viel stärker ein, als dies bisher von offizieller Seite gefordert wird. Ich fürchte, dass wir uns hier im Moment an dem Punkt befinden, an dem Deutschland Ende Februar war: Wenige Fallzahlen, generelle Sorglosigkeit von Bevölkerung und Regierung - und dann ein plötzlicher unkontrollierbarer Anstieg von Infizierten und Todesfällen. Nur dass Bangladesch diesem Szenario nicht gewachsen ist.
Die Caritas hat alle Meetings, Trainings und Workshops für Mitarbeitende und Begünstigte abgesagt und führt Treffen nun virtuell durch.
Wie ist die Caritas-Arbeit mit den Rohingya betroffen und wie versucht man, diese aufrechtzuerhalten?
Wir beschränken unsere Arbeit in den Camps auf das Nötigste, um die Menschen nicht zu gefährden, denn wir arbeiten in unseren Projekten häufig mit größeren Gruppen von Begünstigten. Diese Arbeit muss nun unbedingt ruhen.
Der Fokus liegt nun auf Aufklärungsarbeit
"Aufklärung ist nun unser absoluter Fokus, sowohl für die Begünstigten, als auch für die lokale Bevölkerung und die eigenen Mitarbeitenden", erklärt Christin Mothsche, Caritas-Fachkraft in Bangladesch.Foto: Caritas Bangladesch
Der reguläre Betrieb in allen Kinder-, Frauen- und Lernzentren musste vorrübergehend eingestellt werden. Stattdessen stecken wir unsere Energie nun in Aufklärungsmaßnahmen, individuelle psychosoziale Unterstützung und Fallmanagement. Unser Personal arbeitet verstärkt daran, die Menschen für die Risiken, Symptome, Präventions- und Verhaltensmaßnahmen bei Ansteckung mit dem Coronavirus zu sensibilisieren und aufzuklären.
Der Bau von Notunterkünften und der Schutz vor dem Monsun müssen weitergehen
Die Caritas arbeitet vor allem auch im Bereich der Infrastrukturverbesserung und baut Notunterkünfte. Diese Maßnahmen werden weitergeführt. Da die Zyklonsaison bereits begonnen hat und auch der Monsun bald einsetzen wird, müssen unsere Aktivitäten weitergehen.
Durch so genannte "Cash-for-Work"-Programme der Caritas können die Camp-Bewohner den Bau der Unterkünfte unterstützen und erhalten einen kleinen Lohn.Foto: Tommy Trenchard/Caritas
Katastrophenvorbeugung bleibt unabdingbar, um die Menschen zu schützen. Sollte es tatsächlich zum Schlimmsten kommen, muss zumindest die Notversorgung mit Baumaterialien weiter bestehen, um Haushalten zu helfen, die durch Überflutungen, Erdrutsche oder Stürme ihre Unterkünfte verlieren.
Die Hilfsorganisationen arbeiten zurzeit gemeinsam mit der Regierung an Notfallplänen, um die kritische Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln auch im absoluten Ernstfall sicherzustellen.
Welche langfristigen Folgen drohen den Rohingya durch die Corona-Krise?
"Millionen Menschen könnten hungern"
Sollte es zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen - besonders der Textilsektor ist durch den starken Nachfragerückgang betroffen - stehen wir vor einer noch größeren Herausforderung. Wir müssen uns bereits jetzt auf die Notwendigkeit von Nothilfe für große Teile der Bevölkerung gefasst machen. Sollte sich die Lage hier so zuspitzen, wie in Europa, könnten Millionen Menschen hungern. Und die Monsunzeit steht bevor. Anders als in Deutschland und vielen westlichen Ländern hat Bangladesch kein soziales Sicherungsnetz, das die Bevölkerung bei Jobverlust und Krankheit auffängt. Hier könnten Lebensmittel- oder Geldverteilungen notwendig werden.
Auf lange Sicht wären nach dem Ende der Krise wie in Europa wirtschaftliche Hilfen, Kredite und vor allem Unterstützung für die armen Bevölkerungsschichten durch Einkommen schaffende Maßnahmen nötig.
Hier erfahren Sie mehr zu der regulären Caritas-Arbeit im Rohingya-Camp in Bangladesch